Verfassungsbeschwerde einer Synergetik Therapeutin
zur Einschränkung ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 GG
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe
V e r f a s s u n g s b e s c h w e r d e
von Frau Gudrun E.
xxxx
60388 Frankfurt am Main
gegen
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.06.2010, Az. 5/26 KLs 8910
Js 206769/08 (2/10), und
das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.06.2011, Az. 2 StR 580/10,
formlos zugegangen am 14.10.2011.Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Hansjörg Exxx, , 01099 Dresden und Dr. Stefan Wxxx, 04107 Leipzig
A. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde
Durch die verfahrensgegenständlichen Urteile wurde die Beschwerdeführerin
wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Synergetik-Therapeutin wegen Verstoßes
gegen § 5 i.V.m. § 1 Heilpraktikergesetz (HeilprG) zu einer Geldstrafe
verurteilt, soweit sie die Synergetik-Therapie mit kranken Klienten zur Heilung
oder Linderung ihrer Leiden durchführte und freigesprochen, soweit die
Therapie bei gesunden und kranken Klienten mit anderen Zielsetzungen (Selbsterfahrung,
Sinnfindung u.a.) angewandt wurde.
Die vom Landgericht Frankfurt am Main und dem Bundesgerichtshof angenommene
Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz für die Synergetik-Therapie
in Bezug auf kranke Klienten mit dem Ziel der Heilung oder Linderung und die
daran anknüpfende strafrechtliche Sanktionierung führen zu einer unverhältnismäßigen
Beschränkung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin (Art. 12 Abs.
1 Grundgesetz), weil zum einen die angenommenen Gesundheitsgefahren nur in einem
Teil der verurteilten Fälle überhaupt bestanden und zum anderen ein
Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegt
(vgl. im Einzelnen unter D.2.).
B. Vollmacht
Die schriftliche Vollmacht für die Unterzeichner für das Verfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht ist beigefügt.
C. Verfahrensgeschichte
1. Die am xxx 1938 geborene, nicht vorbestrafte Beschwerdeführerin wurde
mit dem verfahrensgegenständlichen Urteil des Landgerichts Frankfurt am
Main vom 15.06.2010, Az. 5/26 KLs 8910 Js 206769/08 (2/10), in 17 Fällen
vom Vorwurf der unerlaubten Ausübung der Heilkunde i.S.d. § 5 i.V.m.
§ 1 Heilpraktikergesetz freigesprochen, in 11 Fällen aber wegen Verstoßes
gegen § 5 i.V.m. § 1 Heilpraktikergesetz zu einer Gesamtgeldstrafe
von 120 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Das vollständige Urteil
ist als Anlage 1 beigefügt.
Den Verurteilungen bzw. den Freisprüchen liegen im Wesentli-chen folgende
Feststellungen und rechtliche Wertungen des Landgerichts Frankfurt am Main zugrunde:
„Auf der Suche nach Hilfe für ihren Mann, der nach einer über-standenen,
lebensbedrohlichen Krankheit unter starken Ängsten litt, wurde die Angeklagte
auf die Synergetiktherapie aufmerksam.
Die Synergetiktherapie geht zurück auf den Zeugen Joschko, der nach Abschluss
seines Studiums als Physikingenieur für einige Jahre beim Bundeskriminalamt
arbeitete, sich intensiv mit Selbsterfahrung befasste und Anhänger der
Bhagwan Sekte war. Nach seiner Ansicht lässt sich das physikalische Gesetz
der Selbstorganisation makroskopischer Systeme – seinerseits begründet
von Hermann Haken – auf die Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn
übertragen. In sogenannter Tiefenentspannung könne mit Hilfe der Selbstorganisationsfähigkeit
der Psyche die Informationsstruktur im Gedächtnis des Klienten verändert
werden, indem innere Bilder synergetisch bearbeitet und damit unverarbeitete
Erlebnisse und Konflikte aufgearbeitet werden. Dadurch erfolgte eine Hintergrundauflösung
auf neuronaler Ebene mit dem Effekt der Selbstheilung jeglicher Krankheiten.
Insoweit seien Krankheiten lediglich Ausdruck der Informationsstruktur in der
menschlichen Psyche. Werde diese Informationsstruktur verändert, verschwinde
auch die Krankheit. Aus diesem Verständnis von Krankheiten ergibt sich
nach seiner Ansicht auch das Verhältnis der Synergetik zur Schulmedizin.
Während ein Arzt nach dem Verständnis der Synergetik lediglich die
sich am Körper bzw. im Geist als Krankheiten zeigenden Symptome behandelt,
behebe der Synergetiker die Ursache dieser Krankheiten in der Seele und heilt
damit synergetisch bzw. bionisch. Medizinische Heilung bekämpfe immer nur
die Krankheit als Symptom, die wahren Ursachen der Krankheit blieben damit unbearbeitet“
(Anlage 1, S. 3 f.).
„Nach erfolgreichen Synergetik Sitzungen ihres Mannes entschloss sich
die Angeklagte, 1998 eine Ausbildung zur Synergetiktherapeutin und Profilerin
im Institut des Zeugen Joschko zu beginnen. Nach abgeschlossener Ausbildung
eröffnete die Angeklagte im Jahre 2001 eine Praxis für Synergetiktherapie
in ihrer Wohnung, Leuchte 76 in 60388 Frankfurt am Main. Eine ärztliche
Approbation oder eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz besaß die
Angeklagte nicht“ (Anlage 1, S. 6).
„Die Angeklagte führte in der Zeit zwischen April 2005 und Juli 2008
in einem zu ihrer Wohnung gehörenden Zimmer Synergetiktherapiesitzungen
an zumindest 31 Klienten durch. Es befand sich weder im Haus noch in der Wohnung
ein ausdrücklicher Hinweis auf eine Praxis für Synergetik, etwa in
Form eines Pra-xisschildes. Das Zimmer, in dem die Sitzungen durchgeführt
wurden, unterschied sich nicht vom Rest der Wohnung. Darin befan-den sich u.a.
eine Musikanlage und Esoterikbücher. An der Wand hingen Urkunden, die ihre
Ausbildung als Synergetiktherapeutin im Ausbildungszentrum in Bischoffen bei
dem Zeugen Joschko dokumentierten. Ferner befand sich an der Wand ein Ausdruck,
auf dem die Angeklagte darauf hinwies, dass sie keine Ärztin und keine
Heilpraktikerin ist.
Die einzelnen Therapiesitzungen liefen im Wesentlichen gleich ab. Zunächst
erfolgte ein kurzes Vorgespräch mit den Klienten, in dem diese meist von
selbst erzählten, warum sie die Angeklagte aufsuchten. Eine ausdrückliche
Klärung ob bzw. wenn ja, in welcher medizinischen oder anderen Behandlung
sich der Klient befand, erfolgte nicht. Nach der Einnahme von Medikamenten fragte
die Angeklagte nicht. Sie erklärte den Ablauf der Sitzung und soweit gewünscht
die Theorie der Synergetik sowie ihre Ausbildung zur Synergetiktherapeutin.
Ferner unterschrieben alle Klienten ein sogenanntes „Informationsblatt
zur Synergetiktherapie Einzelsitzungen“, das mit „Praxis für
Synergetiktherapie und Profiling“ überschrieben war. Darin wurde
der Klient darauf hingewiesen, dass er sich über seine medizinische und
psychotherapeutische Versorgung selbst informieren muss, er sich mit dem Arzt
seines Vertrauens beraten soll und im Zusammenhang mit der Synergetiktherapie
keine Diagnosen oder Therapien im medizinischen Sinne durchgeführt oder
Heilkunde im Sinne des Heilpraktikerge-setzes praktiziert werden sowie dass
die Synergetik keine Psy-chotherapie ist und der Klient weiß, dass er
der Synergetikthera-peut über keine medizinischen Qualifikationen verfügt.
Zu Beginn der ca. 1 bis zu 2 Stunden dauernden Sitzung las die Angeklagte den
Klienten, die sich auf eine weiche Unterlage gelegt und die Augen geschlossen
oder verbunden hatten, einen Entspannungstext vor und unterstützte das
Entspannen der Klienten durch Einspielen von Klangmusik. Am Ende des Entspannungstextes
wurden die Klienten auf eine Treppe hingewiesen, die sie hinunter in ihr tiefstes
Inneres, in einen Gang mit Türen führte. So gelangten die Klienten
in einen Zustand der Tiefenentspannung, in dem die Gehirnfrequenzen verlangsamt
waren (Alpha Wellen), die Klienten gleichwohl wach und handlungsfähig blieben.
Dieser Zustand verminderten Bewusstseins ist vergleichbar mit demjenigen bei
der Meditation, dem autogenen Training oder demjenigen kurz vor dem Einschlafen.
Es ist ein hypnoider Bewusstseinszustand. Sodann forderte die Angeklagte die
Klienten auf, die sich vorgestellten Türen zu beschreiben, zu öffnen
und zu durchschreiten und den dahinter befindlichen Raum zu beschreiben. Dadurch
gingen die Klienten auf eine Bildreise bzw. Traumreise, auf der sie sich die
vorgestellten Bilder zumeist selbst erzeugten, teils durch die Angeklagte etwa
einen Baum oder eine Landschaft, vorgegeben bekamen. Auch forderte die Angeklagte
die Klienten auf, sich innere Bilder wir die des Löwen oder des inneren
Kindes vorzustellen. Auf der Traumreise erlebten die Klienten Gedächtnisbilder
und beschrieben sie der Angeklagten sowie die damit zusammenhängenden Gefühle.
Die Angeklagte stellte Fragen bezogen auf die erscheinenden Gedächtnisbilder
und auftretenden Gefühle, spielte Geräusche oder Musik zur Unterstützung
der Imagination ein, forderte die Klienten auf mit Personen, die in den Gedächtnisbildern
vorkamen, zu sprechen und machte Vorschläge zum weiteren Verlauf. Diese
Tätigkeit der Angeklagten wurde von den Klienten als „Begleiten“,
„Führen“, „Leiten“ oder „Aufrechterhalten
der Traumreise“ emp-funden. Auf der Bildreise wurden die Klienten zum
Teil mit erinnerten belastenden realen Erlebnissen konfrontiert. Diese Geschehnisse
erlebten sie in ihrer Vorstellung erneut, stellten sich jedoch andere Verläufe
dieser Geschehnisse vor, um so die ne-gative Empfindung des Erlebten aufzulösen.
Mitunter traten bei den Klienten während der Bilderreise Affektzustände
wie Weinen oder Lachen auf. Nach dem jeweiligen Empfinden des Klienten wurde
die Traumreise beendet. Die Angeklagte forderte den Klienten auf, sich wieder
das Ausgangsbild, meist die Treppe, vorzustellen, die den Klienten nach oben
in seinen Alltagszustand zurückführte. Die Angeklagte führte
eine Mitschrift über die Beschreibungen der Klienten. Die Klienten erhielten
so viel Zeit, wie sie benötigten, um wieder in ihr reales Bewusstsein zurück
zu kommen. Eine Besprechung zwischen der Angeklagten und den Klienten über
das zuvor Erlebte fand im Einzelnen nicht statt.
Gesundheitliche Schädigungen psychischer oder physischer Natur sind durch
die von der Angeklagten durchgeführten Synergetiktherapien bei keinem der
Klienten verursacht worden. Es bestand jedoch die Gefahr einer Schädigung
durch psychische Dekompensation der Klienten, da die Angeklagte durch die zuvor
im Ablauf geschilderte Therapiesitzung eine konfrontative Psychotherapie durchführte,
die dem katathymen Bildererleben entspricht.
Alle Klienten empfanden die Synergetiktherapie als angenehm und fühlten
sich bei der Angeklagten gut aufgehoben. Für eine Therapie Sitzung verlangte
die Angeklagte bis August 2008 50 EUR, danach mussten Klienten 120 EUR pro Sitzung
aufwenden. Darüber stellte die Angeklagte Rechnungen und Quittungen aus.
Die Klienten kamen entweder auf persönliche Empfehlung von Freuden und
Bekannten zur Angeklagten oder wurden über Informationen zur Synergetik
im Internet oder in Zeitschriften auf sie aufmerksam.
Elf Klienten suchten die Angeklagte mit konkreten psychischen oder physischen
Krankheiten bzw. Leiden auf und erhofften sich durch die Synergetiktherapie
jedenfalls eine Besserung ihrer Krankheit bzw. Leiden. Darauf war nach ihrer
Sicht die Synergetiktherapie gerichtet. Diese Klienten waren entweder chronisch
Kranke, die mit schulmedizinischer Behandlung austherapiert und daher auf der
Suche nach alternativen Heilmethoden waren. Oder die Klienten gingen nach ihrem
Laienverständnis von Krankheitsheilung davon aus, dass ihre Körper
oder psychische Krankheiten ihre Ursache in ihrer kranken Seele hatten, mithin
die Seele geheilt werden musste. Alle diese elf Klienten suchten in der Synergetiktherapie
bewusst eine Alternative zu schulmedizinischer, psychotherapeutischer bzw. psychologischer
Behandlung im Sinne einer zusätzlichen oder ergänzenden Gesundheitssorge.
Alle elf Klienten waren entweder vor der Synergetiktherapie, parallel oder anschließend
in ärztlicher, psychotherapeutischer oder psychologischer Behandlung. Ferner
wussten alle Klienten bis auf eine, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin
und keine Ärztin ist. Von elf Klienten hatten neun Klienten psychische
Krankheiten und Leiden im weitesten Sinne, davon hatten zwei manifeste Depressionen.
Zwei der elf Klienten hatten körperliche Krankheiten“ (Anlage 1,
S. 7 ff.).
Während das Landgericht in diesen 11 Fällen zu einem strafbaren Verstoß
gegen § 5 i.V.m. § 1 Heilpraktikergesetz gekommen ist, hat es die
Beschwerdeführerin in 17 weiteren Fällen von diesem Vorwurf freigesprochen,
da die Synergetik-Therapie bei diesen Klienten entweder gesunde Klienten betraf
oder aber zwar kranke Klienten, die jedoch die Synergetik-Therapie nicht zur
Heilung bzw. Linderung von Krankheiten und Leiden in Anspruch nahmen –
was für die Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes und der darin enthaltenen
Strafbarkeitsnorm des § 5 Heilpraktikergesetz zwingende Voraussetzung wäre
– sondern zu anderen Zwecken, etwa der Selbsterfahrung, der Stärkung
des Selbstbewusstseins, der Klärung von Lebensfragen oder der Sinnfindung
(Anlage 1, S. 32 ff.). Zudem hat das Landgericht insoweit ausdrücklich
fest-gestellt: Bei „nicht kranken Personen können durch die Synergetiktherapie
weder mittelbare noch unmittelbare Gesundheitsgefahren auftreten“ (Anlage
1, S. 33).
Bezüglich der 11 Fälle, in denen es zu einer Verurteilung kam, ist
das Landgericht von Folgendem ausgegangen: „Der Angeklagten kam es darauf
an, auch psychisch oder physisch kranke Menschen mit der Synergetiktherapie
anzusprechen. Sie wollte die psychischen oder physischen Krankheiten bzw. Leiden
der vorstehenden Klienten mit der Synergetik lindern bzw. heilen. Sie wusste
dabei, dass die Ausübung von Heilkunde erlaubnispflichtig ist und dass
um die Einordnung der Synergetiktherapie als Ausübung der Heilkunde zwischen
den Zeugen Joschko bzw. dem Berufsverband der Synergetiker und Gesundheitsämtern
auf verwaltungsgerichtlicher Ebene gestritten wurde. Die Verbotsentscheidung
der Gesundheitsämter Goslar, Braunschweig und München waren ihr bekannt.
An dem Kampf gegen die Verbotsentscheidung beteiligte sie sich als Mitglied
des Berufsverbandes aktiv. Die von ihm ausgesprochenen Empfehlungen betreffend
der Außendarstellung zur Vermeidung von verwaltungsrechtlichen Verboten
bzw. Strafverfahren befolgte sie. Sie hielt es zumindest für möglich,
dass die Synergetiktherapie Ausübung der Heilkunde ist und nahm einen Verstoß
gegen das HeilprG billigend in Kauf, da sie den Klienten, die mit Krankheiten
oder Leiden zu ihr kamen, helfen wollte, auch wenn für ihre Tätigkeit
rechtlich eine Approbation als Arzt bzw. eine Heilpraktikerausbildung notwendig
war. Die durch das HeilprG gesetzten Grenzen waren ihr bekannt. Sie akzeptierte
jedoch nicht die Verbindlichkeit dieser Grenzen. Sie wollte die Synergetiktherapie
auch zu Heilzwecken ausüben, obwohl sie mit der Möglichkeit rechnete,
dass Gesundheitsbehörden und Staatsanwaltschaft wegen der Tätigkeit
Strafverfahren gegen sie einleiten könnten“ (Anlage 1, S. 14 f.).
Im letzten Wort erklärte die Beschwerdeführerin, „dass sie mit
der Synergetiktherapie die Lebensqualität ihrer Klienten habe verbessern
wollen und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe“ (Anlage 1,
S. 15).
Das Landgericht ist zu der Überzeigung gelangt, „dass neben denjenigen
die Synergetik zur Selbsterfahrung machten, chronisch kranke Menschen, die austherapiert
und auf der Suche nach alternativer Heilung sind sowie Menschen angesprochen
werden, die an die Theorie der Synergetik glauben und dies als zusätzliche
Möglichkeit, Heilung zu erfahren, betrachten“ (Anlage 1, S. 18).
„Die Kammer ist ferner aufgrund der Beweisaufnahme der Überzeugung,
dass bei der Ausübung der Synergetiktherapie eine nicht lediglich geringfügige
Wahrscheinlichkeit unmittelbarer Gesundheitsgefahren besteht.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Goldschmidt weist die Synergetiktherapie
suggestive Elemente auf wie sie bei der Hypnosetherapie oder dem autogenen Training
eingesetzt werden. Der hypnoide Zustand werde – so der Sachverständige
Dr. Goldschmidt – durch das Vorlesen des Entspannungstextes, das Abdecken
der Augen und das Einspielen von Musik erreicht. Außerdem enthalte die
Synergetik psychoanalytische Elemente insoweit als abgespaltene Persönlichkeitsanteile
bewusstgemacht und so in die Persönlichkeit wieder integriert werden. So
stellen die von der Angeklagten verwendeten inneren Bilder des Kindes oder des
Löwen symbolisch abgespaltene Persönlichkeitsbilder dar, die bewusst
gemacht werden sollen. Dies sei ein psychoanalytisches Prinzip. Ferner ist das
psychoanalytische und psychotherapeutische Prinzip des Wiedererlebens traumatischer
Erfahrungen nach dem Sachverständigen Dr. Goldschmidt auch bei der Synergetiktherapie
wiederzufinden.
Die Synergetiktherapie entspreche vor allem dem katathymen Bildererleben, einer
anerkannten psychotherapeutischen Metho-de. Dabei werden sich Schlummerbilder
bedient, die spontan in der Einschlafphase auftauchen. Durch Entspannung, die
Ermunterung Bilder auftauchen zu lassen und Fragen werden unbe-wusste Konflikte
symbolisch aufgearbeitet. Das katathyme Bildererleben eigne sich nicht für
derart psychisch kranke Patienten, die zunächst Psychopharmaka benötigen,
um therapiefähig zu werden. Bei diesen – so der Sachverständige
Goldschmidt – können Kontraindikationen, sogenannte Dekompensationen
auftreten, da diese Menschen sich bereits in einen veränderten Bewusstseinszustand
mit verminderter Realitätskontrolle befänden. Auch nach der Einnahme
von Psychopharmaka sei bei diesen Patienten die Wirkung abzuwarten und die Therapie
unter Einbeziehung des behandelnden Arztes sorgfältig abzuwägen. Bei
der mit dem katathymen Bildererleben vergleichbaren Synergetik können –
so der Sachverständige Dr. Goldschmidt – diese Dekompensationen bei
den Klienten mit einem solchen Krankheitsbild ebenfalls auftreten. Seiner Einschätzung
nach erfordere die Synergetiktherapie einerseits umfassende Kenntnisse über
die psychotherapeutische Methode des katathymen Bildererlebens und der durch
sie ausgelösten regressiven Prozesse, andererseits ärztliche Kenntnisse,
um diejenigen Klienten festzustellen, bei denen aufgrund ihres Krankheitsbildes
Demokompensationen auftreten können. Solche Klienten seien dann nicht zu
behandeln, jedenfalls nicht ohne konsilisarischen Ärztebericht, wie ihn
Psychotherapeuten zu jeder Behandlung benötigen. Letzteres sei Ausdruck
eines Vier-Augen-Prinzips zur Vermeidung negativer gesundheitlicher Folgen der
psychotherapeutischen Behandlung der Patienten.
Das Maß der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Dekompensationen konnte
der Sachverständige Dr. Goldschmidt zahlenmäßig nicht genau
bestimmen. In seiner langjährigen Berufspraxis als Arzt, Psychologe und
Psychotherapeut seien solche Dekompensationen aber bei konfrontativen Psychotherapiemethoden
durchaus aufgetreten. Sie seien Gegenstand einer psychothera-peutischen Ausbildung,
die gerade wegen dieser Gefahr auch lange klinische Praktika enthalte. Da die
Angeklagte sich gerade auch an psychisch kranke Menschen wendete, sei die Gefahr
der Dekompensation nicht unerheblich, da sich in der Gruppe der Personen mit
psychischen Erkrankungen auch mehr Personen befinden, bei denen eine Behandlung
mit der konfrontativen Psychotherapie des katathyme Bildererlebens kontraindiziert
sei. Von den vernommenen Personen seien die Zeuginnen Eiding und Eulenburg zum
Zeitpunkt der Durchführung der Synergetiktherapie durch die Angeklagte
massiv psychisch krank gewesen. Bei diesen beiden Patienten bestand nach Einschätzung
von Dr. Goldschmidt die konkrete Gefahr einer Dekompensation in bzw. im Anschluss
an die Therapie. Hinzukäme, so der Sachverständige, dass die ausgelösten
regressiven Prozesse notwendig in einem Gespräch mit dem Patienten verarbeitet
werden müssen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass der Patient tiefer
in den reg-ressiven Zustand verfalle und dies gesundheitliche Folgen zeitige.
Zusammenfassend ist die Synergetiktherapie nach Einschätzung des Sachverständigen
Dr. Goldschmidt eine Art Psychotherapie.
Die Einschätzung des Sachverständigen Goldschmidt deckt sich zum Teil
mit dem Gutachten des von der Verteidigung als präsentes Beweismittel gestellten
Sachverständigen Dr. Andritzky.
Auch dieser kam zu der Bewertung, dass bei der Synergetiktherapie ein hypnoider
Bewusstseinszustand erreicht werde, vergleichbar demjenigen der Oberstufe bei
dem autogenen Training. Ferner erläuterte auch der Sachverständige
Dr. Andritzky, dass die Synergetiktherapie bis auf ihre anders begründete
Theorie mit dem katathymen Bildererleben vergleichbar sei. Nach seiner Einschätzung
sei es bei der Synergetiktherapie möglich, dass bei dem katathymen Bildererleben,
bei Menschen mit Psychosen oder Borderlinestörungen Kontraindikationen
auftreten können, so dass im Vorgespräch entsprechend danach gefragt
werden sollte, um die Personen herauszufinden, bei denen die Synergetiktherapie
nicht angewendet werden sollte. Dass Psychotherapeuten einen Konsiliarbericht
eines Arztes benötigen, verstehe er jedoch nicht schwerpunktmäßig
als Ausdruck der Abwehr von möglichen Gesundheitsgefahren, vielmehr als
ärztlicher Lobbyismus. Die Gesundheitsgefahren bezogen auf die Kontraindikation
bei der Synergetik seien zudem nicht nennenswert, da Psychosen jeder Laie erkenne,
ferner die Methode bei Menschen mit Borderlinestörungen und Psychosen nicht
funktioniere, ein manifester Psychotiker ohnehin in Behandlung sei und ihm Fälle,
in denen die Synergetiktherapie solche Reaktionen ausgelöst habe, nicht
bekannt seien. Seiner Ansicht nach ist die Synergetiktherapie als Form des autogenen
Trainings zu verstehen.
Die Kammer hat die Aussagen der Sachverständigen nachvollzo-gen und zur
eignen Überzeugungsbildung herangezogen. Im Ergebnis folgt sie aufgrund
einer Wertung dem Gutachten von Dr. Goldschmidt“ (Anlage 1, S. 20 ff.).
„Die Kammer sieht aufgrund der Vergleichbarkeit der Synergetiktherapie
mit der psychotherapeutischen Methode des katathymen Bildererlebnis vergleichbare
Gesundheitsgefahren wie sie bei Anwendung des katathymen Bildererlebens bestehen,
jedenfalls bei denjenigen Klienten, die derart psychisch erkrankt sind, dass
bei ihnen Psychopharmaka eingesetzt werden müssen. Ferner sieht die Kammer
aufgrund der psychoanalytischen Elemente der Konfrontation bzw. des Wiedererlebens
traumatischer Erlebnisse der Synergetik, die von vom Sachverständigen Dr.
Goldschmidt beschriebene Gefahr der Vertiefung regressiver Prozesse, die auch
zu gesundheitlichen Schädigungen führen kann. Denn die von der Angeklagten
durchgeführte Synergetiktherapie beinhalte keine Besprechung des in der
Innenweltreise Erlebten. Dass diese Gefahren hinlänglich wahrscheinlich
sind, ergibt sich nach Ansicht der Kammer daraus, dass Dekompensationen in der
Praxis der Psychotherapie auftreten. Deshalb werden sie gerade auch zum Gegenstand
der psychotherapeutischen Ausbildung gemacht.
Selbst wenn – wie der Sachverständige Dr. Andritzky meint –
eine manifeste Psychose von jedermann erkannt werden kann, so bleibt die Möglichkeit,
dass die Angeklagte Menschen mit anderen medikamentös behandlungsbedürftigen
psychischen Krankheiten bzw. mit latenten Psychosen bzw. mit Borderlinestörungen
therapiert, ohne dass die Angeklagte dies erkennen würde. Bei diesen Klienten
können nach den insoweit übereinstimmenden Auffassungen der Sachverständigen
Dekompensationen auftreten. Soweit der Sachverständige Dr. Andritzky anführt,
die Gefahr sei aber deshalb gering, weil bei Psychotikern bzw. Borderlinepatienten
die Methode des katathymen Bildererlebens, mithin die Synergetik nicht funktioniere,
steht dies einer hinlänglichen Gefahr nicht entgegen, weil es nicht auf
den Erfolg der Methode, sondern darauf ankommt, ob diese überhaupt Anwendung
findet. Dass bei Anwendung Dekompensationen auftreten können, hat auch
er festgestellt“ (Anlage 1, S. 23 f.).
„Die Kammer ist nicht zu der sicheren Überzeugung einer hinreichend
wahrscheinlichen mittelbaren Gefahr durch das Versäumen oder Verzögern
ärztlicher Hilfe gelangt. Die Klienten der Angeklagten sagen jeweils aus,
dass sie vor, parallel oder nach der Synergetiktherapie sich in ärztlicher
bzw. psychotherapeutischer Behandlung befanden. Ferner wussten sie nach ihren
Aussagen, dass die Angeklagte keine Ärztin oder Psychotherapeutin ist und
suchten bewusst eine im Vergleich zur Schulmedizin und zum Heilpraktiker andere,
zusätzliche Möglichkeit, ihre Krankheiten oder Leiden loszuwerden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der Klienten psychische
oder physische Krankheiten bzw. Leiden hatten, bei denen – nach Einschätzung
des Sachverständigen Dr. Goldschmidt – eine Verzögerung ärztlicher
Hilfe nicht wie im Falle von Krebspatienten zu einer wesentlichen Ver-schlimmerung
des Gesundheitszustandes führen würde. Selbst die Zeugin Maas, die
zur Verarbeitung ihrer aus ihrer Krebser-krankung herrührenden Ängste
die Angeklagte aufsuchte, schilderte, dass sie jährlich zur Kontrolle des
Hautkrebses zum Arzt gehe, eine schulmedizinische, operative Behandlung jedoch
bewusst ablehne“ (Anlage 1, S. 24 f.).
„Mit Blick auf das Grundrecht der freien Berufsausübung gemäß
Art. 12 GG einerseits und dem Ziel des Heilpraktikergesetzes, dem Gesundheitsschutz
der Bevölkerung andererseits bedarf die Legaldefinition des § 1 Abs.
2 HeilprG der verfassungskonformen Auslegung. Danach sind unter Ausübung
der Heilkunde nur Tätigkeiten zu verstehen, die ärztliche bzw. heilkundliche
Kenntnisse voraussetzen und gesundheitliche Schädigungen zur Folge haben
können. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt
hierfür ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht. Vielmehr müssen
die Gesundheitsgefahren nennenswert bzw. hinlänglich wahrscheinlich sein
(vgl. BVerfG NJW-RR 2004, 705 – 1 BvR 784/03; BVerfG NJW 2004, 2890 –
2 BvR 1802/02; BVerwG Beschl. v. 28.10.2009 – 3 B 39.09). Dabei genügt
auch eine nennenswerte mittelbare Gesundheitsgefährdung, die darin besteht,
dass notwendige ärztliche Hilfe vernachlässigt bzw. verzögert
wird. Nach strafrechtlichen Termini handelt es sich dabei um abs-trakte unmittelbare
bzw. mittelbare Gesundheitsgefahren, nicht um konkrete. Denn nach dem Gesetzeszweck
– dem Gesund-heitsschutz der Bevölkerung – wird das Ausüben
von Heilkunde ohne Erlaubnis als generell gefährlich eingestuft und ist
damit verboten. Erlaubt wird die Ausübung der Heilkunde für Personen
ohne ärztliche Approbation nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung einer
erfolgreich abgeschlossenen Heilpraktikerausbildung.
Zur Ausbildung der Synergetiktherapie sind psychotherapeutische Kenntnisse erforderlich,
weil die Synergetiktherapie der psychotherapeutischen Methode des katathymen
Bildererlebens entspricht. Psychotherapie ist Heilkunde im Sinne von §
1 Abs. 2 HeilprG (vgl. BVerwG NJW 1984, 1414). Fernerhin erfordert die Auswahl
derjenigen Klienten, die mit Blick auf mögliche Dekompensationen nicht
therapiert werden dürfen, medizinische bzw. psychologische Kenntnisse über
entsprechende psychische Krankheiten.
Bei der Synergetiktherapie besteht außerdem eine nicht nur geringfügige
Wahrscheinlichkeit unmittelbarer Gesundheitsgefährd-rungen. Denn bei psychisch
kranken Klienten, die zunächst Psychopharmaka benötigen, um therapiefähig
zu sein sowie bei Klienten mit Borderlinestörungen, latenten und manifesten
Psychosen können Dekompensationen auftreten. Gegenüber dieser hinreichend
abstrakten unmittelbaren Gefahr lag bei den Sitzungen der Klienten Eulenburg
und Eiding eine konkrete unmittelbare Gefahr von Dekompensation vor. Denn die
Klientin Eulenburg hatte schwere Depressionen und nahm Antidepressiva und die
Zeugin Eiding litt schon zur Tatzeit an einer Persönlichkeitsstörung,
die so erheblich war, dass sie später einen psychischen Zusammenbruch erlitt.
Sie wird seit diesem Zusammenbruch mit Antidepressiva behandelt und hätte
sich bereits zum Tatzeitpunkt einer solchen Behandlung unterziehen müssen.
Beide befanden sich zum Tatzeitpunkt in veränderten Bewusstseinzuständen
mit verminderter Realitätskontrolle. In diesem Zustand ist eine Psychotherapie
in Form des katathymen Bildererlebens wegen der damit verbunden Gefahren contraindiziert.
Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass frühzeitiges Erkennen ernster
Leiden durch die Synergetiktherapie der Angeklagten verzögert werden kann,
als geringfügig anzusehen. Zwar ist aufgrund des Selbstverständnisses
der Synergetiktherapie, insbesondere ihres Verhältnisses zur Schulmedizin
nicht ausgeschlos-sen, dass die Klienten der Angeklagten notwendige ärztliche
Behandlung nicht oder verzögert in Anspruch nehmen. Die Gefahr der Verzögerung
notwendiger ärztlicher Hilfe ist allerdings um so geringer, desto entfernter
die Tätigkeit vom Erscheinungsbild eines Arztes bzw. eines Heilpraktikers
ist (vgl. BVerfG NJW 2004, 2890). Anders als bei Geistheilern behauptet die
Synergetiktherapie zwar einen naturwissenschaftlichen Hintergrund und wirkt
nicht lediglich durch Handauflegen, vielmehr entsprechend einer psychotherapeutischen
Methode, wobei auch eine Vielzahl der Klienten der Angeklagten die Synergetiktherapie
als Art der Psychotherapie beschrieben. Nach dem äußeren Erscheinungsbild
der Tätigkeit der Angeklagten, die sie in ihrer Wohnung durchführte,
ohne den Eindruck einer psychotherapeutischen Praxis zu erwecken, steht die
Synergetiktherapie gleichwohl entfernt von einer gewöhnlichen Psychotherapie.
Hinzukommt, dass die An-geklagte keinem Klienten ausdrücklich von ärztlicher
Hilfe abriet und zudem in ihrem Informationsblatt, das jeder Klient vor der
Therapie zu unterschreiben hatte, darauf hinwies, dass dem Klienten seine medizinische
und psychotherapeutische Betreuung selbst obliegt. Dass diese Gefahr der Verzögerung
ärztlicher Hilfe gering ist, zeigen prognostisch die hier therapierten
Klienten, die alle zuvor, parallel oder schließend in ärztlicher
bzw. psychotherapeutischer Behandlung waren und die Synergetiktherapie als Ergänzung
bzw. als einen Dritten Weg zur Heilung bewusst wählten. Allen war bekannt,
dass die Angeklagte keine Ärztin oder Psychotherapeutin ist. Jedenfalls
könnte dieser Gefahr gewerberechtlich begegnet werden, indem sichergestellt
wird, dass die Angeklagte ausdrücklich schriftlich und mündlich darauf
hinweist, dass eine heilkundliche Behandlung weder durchgeführt noch beabsichtigt
ist und deshalb Zuziehung eines Arztes anheimgestellt wird (vgl. VGH Mannheim,
NVwZ-RR 2005, 725)“ (Anlage 1, S. 27 ff.).2. Gegen dieses Urteil hat die
Beschwerdeführerin form- und fristgemäß Revision eingelegt,
die mit der ausgeführten Sachrüge mit Schriftsatz vom 03.12.2010 u.a.
wie folgt begründet wurde (der vollständige Schriftsatz vom 03.12.2010
ist als Anlage 2 beigefügt):
„Obwohl das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.06.2010 mit
der Sachrüge insgesamt zur Nachprüfung durch den Senat gestellt ist,
sind konkrete sachlich-rechtliche Einwendungen veranlasst: Bereits der objektive
Tatbestand des § 5 Heilpraktikergesetz ist vorliegend nicht erfüllt,
weil nach den Urteilsfeststellungen in 9 von 11 Fällen der Verurteilung
keine der vom Landgericht angenommenen Gesundheitsgefährdungen vorlag [vgl.
unter 1.a)] und im Übrigen der Erwerb einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz
nach den Feststellungen des Landgerichts zur Vermeidung der gesehenen Gesundheitsgefahren
durch eine Synergetiktherapie weder erforderlich [vgl. unter 1.b)] noch geeignet
war [vgl. unter 1.c)].
…
Im Einzelnen sei dazu ausgeführt:
1. Rechtsfehlerhafte Annahme des objektiven Tatbestandes des §
5 Heilpraktikergesetz
a) Keine hinreichende Gesundheitsgefahr in den Fällen, in denen keine Contraindikation
für die Synergetiktherapie vorlag
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts geht das Landgericht
im Ansatz zutreffend davon aus, dass der objektive Straftatbestand des §
5 Heilpraktikergesetz auf Tätigkeiten beschränkt ist, die hinlänglich
wahrscheinliche Gesundheitsgefahren hervorgerufen (UA S. 27).
Insoweit ist das – sachverständig beratene (UA S. 20 ff.) –
Landgericht davon ausgegangen, dass die Synergetiktherapie für ge-sunde
Klienten keinerlei Gesundheitsgefahren hervorrufen kann (UA S. 33), während
es für kranke Klienten pauschal hinlänglich wahrscheinliche Gesundheitsgefahren
durch Dekompensationen und die Vertiefung regressiver Prozesse angenommen hat
(UA S. 23 f.) und zwar unabhängig davon, ob die Klienten an einer körperlichen
oder seelischen Erkrankung litten und welcher Art die psychische Erkrankung
war. Dies begegnet jedoch in 9 Fällen der Verurteilung durchgreifenden
rechtlichen Bedenken:
Denn nach den Urteilsfeststellungen droht die vom Landgericht angenommene Gesundheitsgefahr
durch Dekompensation nur bei bestimmten psychischen Erkrankungen, nämlich
bei solchen psychisch kranken Klienten, „die zunächst Psychopharmaka
benötigen, um therapiefähig zu sein sowie bei Klienten mit Borderlinestörungen,
latenten und manifesten Psychosen“ (UA S. 28). Aus den schriftlichen Urteilsgründen
folgt jedoch weiter, dass eine derartige psychische Erkrankung nur bei zwei
Klienten vorlag, nämlich in den Fällen II.6. (UA S. 12) und II.11.
(UA S. 14), in denen dementsprechend eine Synergetiktherapie contraindiziert
war (UA S. 28). In allen anderen Fällen hat das Landgericht hingegen nicht
festgestellt, dass die Klienten zunächst Psychopharmaka benötigen,
um therapiefähig zu sein oder dass sie an Borderlinestörungen oder
latenten und manifesten Psychosen litten (UA S. 10 ff.), so dass hier auch keine
Gefahr einer Dekompensation bestand.
Daneben ist das Landgericht auch von einer gesundheitlichen Gefahr für
erkrankte Klienten durch die Vertiefung regressiver Prozesse ausgegangen (UA
S. 23 f.), die durch die Konfrontation mit traumatischen Erfahrungen bzw. deren
Wiedererleben verursacht werden kann, wenn diese nicht anschließend besprochen
werden (UA S. 20, 22 f.). Dass diese Gefahr hinlänglich wahrscheinlich
sei, hat das Landgericht jedoch allein damit begründet, „dass Dekompensationen
in der Praxis der Psychotherapie auftreten“ (UA S. 24). Der Umstand, dass
Dekompensationen in der Praxis der Psychotherapie auftreten, besagt jedoch nichts
über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens gesundheitlicher Schädigungen
durch die Vertiefung regressiver Prozesse durch das Wiedererleben von Traumata.
Vor allem aber ist nach den Feststellungen des Landgerichts die Synergetiktherapie
der Angeklagten nicht in jedem Fall mit dem Wiedererleben von Traumata verbunden
gewesen, weil dies na-turgemäß nur bei solchen Klienten möglich
ist, die ein Trauma erlebt hatten. Dies ist nach den Urteilsfeststellungen jedoch
nur bei zwei der Klienten der Fall, nämlich bei den Klienten Muth (II.5.
= UA S. 11 f.) und Eiding (II.6. = UA S. 12), wobei bei der Klientin Eiding
wegen der Gefahr einer Dekompensation auf Grund einer medikamentös behandlungsbedürftigen
psychischen Erkrankung ohnehin eine Contraindikation für eine Synergetiktherapie
bestand (UA S. 28).
Zudem ist auch das Landgericht ausdrücklich davon ausgegan-gen, dass während
der Synergetiktherapie der Angeklagten deren Klienten lediglich „zum Teil
mit erinnerten belastenden realen Erlebnissen konfrontiert“ wurden (UA
S. 8). Bei welchen Klienten dies der Fall war, hat das Landgericht jedoch nicht
festgestellt. Ein auf Gesundheitsgefahren durch die Vertiefung regressiver Prozesse
gegründeter Verstoß gegen § 5 Heilpraktikergesetz scheitert
damit bereits im objektiven Tatbestand, weil schon nicht festgestellt ist, in
welchem der Fälle die Klienten im Rahmen ihrer Synergetiktherapie überhaupt
mit belastenden Erlebnissen konfrontiert wurden und dementsprechend eine Vertiefung
regressiver Prozesse möglich war.
Als Zwischenergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die Verurteilung der Angeklagten
in 9 Fällen (II.1., 2., 3., 4., 5., 7., 8. 9. und 10.) schon deshalb keinen
Bestand haben kann, weil es in diesen Fällen an einer für den objektiven
Tatbestand erforderlichen hinreichend wahrscheinlich Gesundheitsgefahr mangelt,
da nach den Urteilsfeststellungen hier weder eine Erkrankung vorlag, bei der
eine Dekompensation drohte, noch positiv festgestellt ist, dass es in diesen
Fällen zu einer Konfrontation mit belastenden Erlebnissen kam und deshalb
die Vertiefung regressiver Prozesse drohte.
b) Erlaubnispflicht nach Heilpraktikergesetz bei Synergetiktherapie
zur Vermeidung der angenommenen Gesundheitsgefahren nicht erforderlich
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hält der Erlaubniszwang
des Heilpraktikergesetzes nur dann einer verfassungsmäßigen Prüfung
unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Stand, wenn die Kenntnisprüfung
auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes für die Bekämpfung der
Gesundheitsgefahren erforderlich ist und diese nicht durch mildere Mittel, etwa
die des Gewerberechts, genau so wirksam ausgeschlossen werden können. Dies
entspricht auch der Rechtsauffassung des Landgerichts, welches zu Recht davon
ausgeht, dass ein strafbewehrter Verstoß gegen § 5 Heilpraktikergesetz
ausscheidet, wenn einer Gesundheitsgefahr gewerberechtlich durch entsprechende
Auflagen begegnet werden kann (UA S. 29).
Nachdem nach den Urteilsfeststellungen von der Synergetiktherapie für gesunde
Klienten keinerlei Gesundheitsgefahren ausge-hen (UA S. 33) und sich der Personenkreis
kranker Klienten, für die Gesundheitsgefahren von der Synergetiktherapie
ausgehen können, auf Klienten mit bestimmten psychischen Erkrankungen beschränkt
(Klienten, die zunächst Psychopharmaka benötigen, um therapiefähig
zu sein; Klienten mit Borderlinestörungen, latenten und manifesten Psychosen
und Traumata), reicht es bereits aus, der Angeklagten gewerberechtlich zu untersagen,
bei Klienten mit derartigen Vorerkrankungen eine Synergetiktherapie durchzuführen.
Eine strafbewehrte Verpflichtung zum Ablegen einer Kenntnisprüfung auf
der Grundlage des Heilpraktikergesetzes ist dafür nicht erforderlich. Sie
ist im Übrigen – wie unter c) darzulegen sein wird – auch nicht
geeignet, die vom Landgericht an-genommenen Gesundheitsgefahren zu vermeiden:
c) Erlaubnispflicht nach Heilpraktikergesetz bei Synergetiktherapie zur Vermeidung
der angenommenen Gesundheitsgefahren nicht geeignet
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf der strafbewehrte
Erlaubniszwang für Heilbehandler ohne Bestallung gem. §§ 1, 5
Heilpraktikergesetz im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
noch in einer weiteren Richtung der Begrenzung: Verfassungsmäßig
ist die Erlaubnispflicht nämlich nur dann, wenn sie auch geeignet ist,
den mit ihr erstrebten Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung
zu erreichen.
Dies ist bezüglich der von der Angeklagten praktizierten Synergetiktherapie
nach den Feststellungen des Landgerichts jedoch bezüglich aller 11 Verurteilungen
nicht der Fall. Denn nach Auskunft des Sachverständigen Dr. Goldschmidt
– dem die Kammer vollumfänglich gefolgt ist (UA S. 23) – handelt
es sich bei der von der Angeklagten praktizierte Synergetiktherapie um „eine
Art der Psychotherapie“ (UA S. 22) und dementsprechend ist die von der
Kammer bei der Synergetiktherapie gesehene Gesundheitsgefahr einer Dekompensation
nach den Urteilsfeststellungen „Gegenstand psychotherapeutischer Ausbildung“
(UA S. 24).
Wenn es sich jedoch nach Auffassung des Landgerichts bei der Synergetiktherapie
um eine Psychotherapie handelt und die von der Kammer gesehenen Gesundheitsgefahren
bzw. deren Vermeidung Gegenstand einer psychotherapeutischen Ausbildung sind,
wäre der Erwerb einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz durch die
Angeklagte überhaupt nicht in der Lage gewesen, die von der Kammer gesehenen
Gesundheitsgefahren zu vermeiden, weil dies nach den eigenen Feststellungen
der Kammer nur durch eine völlig andere Ausbildung, nämlich eine Ausbildung
zum Psychotherapeuten der Fall gewesen wäre.
Eine Strafbarkeit der Angeklagten scheidet damit auch deshalb aus, weil die
strafbewehrte Erlaubnispflicht für Heilbehandler ohne Bestallung gem. §§
1, 5 Heilpraktikergesetz vorliegend gar nicht geeignet war, den mit ihr erstrebten
Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen“ (Anlage
2, S. 1 - 8).
Daneben wurde in dieser Revisionsbegründung auch die Frage des Vorliegens
eines bedingten Vorsatzes der Beschwerdeführerin problematisiert, was aber
nicht zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht werden soll.3. Am 22.06.2011
fand in dieser Sache eine mündliche Revisions-hauptverhandlung vor dem
2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs statt, an der die Beschwerdeführerin
nicht teilgenommen hat, sondern durch Rechtsanwalt Dr. Wirth verteidigt wurde.
Mit Urteil vom 22.06.2011 hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Revision
der Beschwerdeführerin als unbegründet verworfen.
Am 23.06.2011 hat Rechtsanwalt Dr. Wirth per Telefax beim Bundesgerichtshof
den Antrag auf Übersendung des schriftlichen Urteils vom 22.06.2011 gestellt.
Das schriftliche Urteil vom 22.06.2011 ist der Beschwerdeführerin bzw.
Rechtsanwalt Dr. Wirth formlos am 14.10.2011 zugegangen. In dem Urteil –
das vollständig als Anlage 3 beigefügt ist – wird die Verwerfung
der Revision im Wesentlichen wie folgt begründet:
„1. Gemäß § 5 Abs. 1 HeilprG ist strafbar, wer ohne zur
Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis
nach § 1 Abs. 1 HeilprG zu besitzen, die Heilkunde ausübt. Ausübung
der Heilkunde ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 HeilprG jede
berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung,
Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden
bei Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung
des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine verfassungskonforme einschränkende
Auslegung dieses Begriffs geboten; danach fallen nur solche Behandlungen unter
die Erlaubnispflicht, die gesundheitliche Schäden verursachen können,
wobei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein nur geringfügiges
Gefahrenmoment nicht ausreicht (vgl. BVerwGE 23, 140, 146; 35, 308, 311; BVerwG,
Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28/09, NVwZ-RR 2011, 23, zur Erlaubnispflicht
der Synergetik-Therapie).
Mit dieser Auslegung, nach der allein das Gefährdungspotential
der in Rede stehenden Tätigkeit geeignet ist, die strafbewehrte Erlaubnispflicht
nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom
2. März 2004 - 1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705 - "Geistheiler";
Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, NJW 2004, 2890 - "Wunderheiler"),
soll deren Gesetzeszweck Rechnung getragen werden, der Bevölkerung einen
ausreichenden Schutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene
zu geben (vgl. zum Schutzzweck des Heilpraktikergesetzes auch BVerfG, Beschluss
vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85, BVerfGE 78, 179, 194; BVerfG,
Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, aaO).
Die einschränkende Auslegung des von der primären öffentlich-rechtlichen
Verhaltensnorm in § 1 HeilprG verwendeten Begriffs "Ausübung
der Heilkunde" ist auch für die akzessorische strafrechtliche Beurteilung
von Heilbehandlungsfällen nach § 5 HeilprG maßgeblich (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, aaO) und wird seit längerem
auch in der Rechtsprechung der Strafgerichte vertreten (vgl. BGH, Urteil vom
2. Ju-ni 1981 - 1 StR 220/81, NStZ 1981, 443; BayObLG, NStZ 1982, 474; NStZ-RR
2000, 381; OLG Koblenz, NStZ 1987, 468; noch offen gelassen von BGH, Urteil
vom 13. September 1977 - 1 StR 389/77, NJW 1978, 599). Danach handelt es sich
bei dem Straftatbestand des § 5 HeilprG im Hinblick auf das Erfordernis
nennenswerter mittelbarer oder unmittelbarer Gesundheitsgefährdungen als
ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1
HeilprG um ein potentielles Gefährdungsdelikt. Bei dieser Untergruppe der
abstrakten Gefährdungsdelikte gehört nur eine generelle Gefährlichkeit
der konkreten Tat, nicht aber der Eintritt einer konkreten Gefahr zum Tatbestand
(vgl. allgemein zum Typus des potentiellen Gefährdungsdelikts BGHSt 46,
212, 218; BGH, Urteil vom 25. März 1999 - 1 StR 493/98, NJW 1999, 2129;
Fischer, StGB 58. Aufl., Vor § 13 Rn. 19 mwN; s. auch zur systematischen
Einordnung der Gefährdungseignung einer das Leben gefährdenden Behandlung
bei § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, Fischer, aaO, § 224 Rn. 12). Der Tatrichter
hat dabei zu prüfen, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung
der konkreten Tatumstände gefahrengeeignet ist.
Für den Schuldspruch war es in objektiver Hinsicht damit erfor-derlich
und ausreichend, dass die von der Angeklagten ange-wandte Therapieform nach
einer ex ante-Betrachtung in jedem einzelnen Fall geeignet war, die Gesundheit
ihrer Patienten nen-nenswert zu schädigen. Ob sich diese potentielle Gesundheitsgefährdung
in einzelnen Fällen konkretisiert oder gar realisiert hatte, war nur für
den Strafausspruch bedeutsam.
2. Das Landgericht ist in den elf der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen
rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis erlangt, dass die von der Angeklagten bei diesen
Patienten jeweils durchgeführte Behandlung als Ausübung der Heilkunde
anzusehen ist, bei deren Anwendung eine hinlängliche Wahrscheinlichkeit
unmittelbarer Gesundheitsgefahren bestanden hat.
a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat die Synergetik-Therapie
als eine Art Psychotherapie beurteilt und dies tragfähig damit begründet,
dass sie neben suggestiven Elementen, wie sie bei einer Hypnosetherapie oder
beim autogenen Training eingesetzt würden, auch psychoanalytische Elemente
aufweise, indem abgespaltene Persönlichkeitsanteile bewusst gemacht und
so wieder in die Persönlichkeit integriert würden. Wiederzufinden
sei auch das psychoanalytische und psychotherapeutische Prinzip des Wiedererlebens
traumatischer Erfahrungen. Die Synergetik-Therapie entspreche vor allem der
anerkannten psychotherapeutischen Methode des katathymen Bilderlebens. Dabei
nutze der Therapeut Schlummerbilder, wie sie spontan auch in der Einschlafphase
auftauchen. Der entspannte Klient werde ermuntert, Bilder auftauchen zu lassen,
um unbewusste Konflikte symbolisch aufzuarbeiten.
Weiterhin hat die Strafkammer Psychotherapie zutreffend als Ausübung der
Heilkunde i.S.v. § 1 Abs. 2 HeilprG angesehen und sich dabei auf die hierzu
grundlegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Februar
1983 - 3 C 21/82, BVerwGE 66, 367 = NJW 1984, 1414) gestützt (vgl. auch
BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85, BVerfGE 78,
179; BayObLG, NStZ 1982, 474). Der danach für psychotherapeutische Tätigkeiten
bestehende Erlaubnisvorbehalt nach § 1 Abs. 1 HeilprG ist auch durch das
Psychotherapeutengesetz vom 16. Juni 1998 nicht entfallen, sondern nur für
den durch die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut abgedeckten Bereich
gegenstandslos geworden. Denn nach der Gesetzesbegründung sollte durch
das Psychotherapeutengesetz das im Übrigen unberührt bleibende Heilpraktikergesetz
insoweit erweitert werden, als neben Ärzten und Heilpraktikern auch den
Angehörigen der neuen psychotherapeutischen Heilberufe eine eigenverantwortliche
Ausübung von Heilkunde innerhalb des durch ihre Approbation abgedeckten
Bereichs gestattet wurde (vgl. BT-Drucks. 13/8035, S. 15 Rn. 15). Ausdrücklich
festgehal-ten wurde in den Gesetzesmaterialien, dass das Verbot der un-erlaubten
Ausübung der Heilkunde und die Strafvorschrift des § 5 HeilprG fortgelten
soll, soweit es um heilkundliche Tätigkeiten außerhalb der durch
das Psychotherapeutengesetzes geregelten Psychotherapie geht. Danach handelt
auch nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes rechtswidrig und macht
sich strafbar, wer ohne Approbation als Arzt oder als Psychotherapeut Psychotherapie
betreibt, wenn er nicht im Besitz einer Heilpraktikererlaubnis ist (vgl. zur
unveränderten Strafbarkeit eines unerlaubt psychotherapeutisch Tätigen
auch BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - 3 C 44/01, DVBl. 2003, 677).
b) Die Feststellung der Strafkammer, dass bei Anwendung der Synergetik-Therapie
durch die Angeklagte die erforderliche hinlängliche Wahrscheinlichkeit
unmittelbarer Gesundheitsgefähr-dung bestand (vgl. UA S. 9, 20, 28), ist
im Ergebnis in sämtlichen der abgeurteilten Behandlungsfälle nicht
zu beanstanden.
aa) Die Strafkammer hat auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens
nachvollziehbar dargelegt, dass die Synergetik-Therapie eine konfrontative Psychotherapie-Methode
darstelle, die sich für bestimmte psychisch kranke Menschen nicht eigne.
Bei Personen, die sich bereits in einem veränderten Bewusst-seinszustand
mit verminderter Realitätskontrolle befänden, könne das katathyme
Bilderleben, das mit einer solchen Therapie verbunden sei, zur Auslösung
regressiver Prozesse und zum Auftreten von Dekompensationen führen. Nach
den Ausführungen des Sachverständigen waren in dessen langjähriger
Berufspraxis solche Fälle mehrfach aufgetreten.
Zu dem Patientenkreis, bei dem eine Synergetik-Therapie kontraindiziert ist,
zählen nach den Feststellungen des Landge-richts neben Personen, die zunächst
Psychopharmaka benötigen, um therapiefähig zu werden, auch Menschen
mit (latenten) Psychosen oder Borderlinestörungen. Ob ein Patient zu dem
Kreis von Personen zählt, bei dem die Gefahr der Verursachung psychischer
Dekompensationen besteht, lässt sich jedenfalls ohne entsprechende medizinische
bzw. psychotherapeutische Kenntnisse nicht zuverlässig beurteilen. Es mag
zwar sein, dass etwa auch eine Befragung des Patienten durch eine insoweit nicht
ausgebildete Person, etwa zur Krankheitsvorgeschichte und zu eingenommenen Medikamenten,
Aufschlüsse über gewisse Kontraindizierungen geben kann. Es liegt
aber auf der Hand, dass dadurch allein nicht alle eine Behandlung ausschließenden
Krankheitsbilder aufgespürt werden könnten, die wie (latente) Psychosen
oder auch Borderlinestörungen für einen Laien nicht ohne Weiteres
erkennbar sind. Insoweit stellt schon - unabhängig davon, ob es sich bei
dem zu behandelnden Patienten um eine Person handelt, bei der tatsächlich
ein solches Risiko besteht - die Gefahr des Nichterkennens einer das katathyme
Bilderleben kontraindizierenden psychischen Krankheit und die daran an-schließende
unmittelbare Verursachung einer psychischen De-kompensation ein nennenswertes
potentielles Risiko bei der Anwendung dieser oder einer damit vergleichbaren
psychotherapeutischen Methode dar. Diese Gefahr lässt sich nur ausräumen,
wenn die Behandlung durch einen Therapeuten durchgeführt wird, der über
eine entsprechende ärztliche oder psychotherapeutische Qualifikation oder
über eine Ausbildung nach dem Heilpraktikergesetz verfügt (s. dazu
näher unten II. 3.). Nur dann ist entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes,
der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz vor Gesundheitsgefährdungen
durch Unberufene zu geben, gewährleistet, dass die Therapie nur zur Anwendung
kommt, wenn das Vorliegen relevanter psychischer Vorerkrankungen ausgeschlossen
ist. Da die Angeklagte, die im Übrigen keine ausführlichen Vorgespräche
mit ihren Patienten führte und insoweit nicht einmal bemüht war, deren
Krankheits-vorgeschichte aufzuklären, über eine entsprechende Qualifikation
nicht verfügte, war danach in sämtlichen Behandlungsfällen die
erforderliche unmittelbare Gesundheitsgefährdung gegeben, ohne dass es
auf das Vorliegen einschlägiger Krankheiten im Einzelfall noch ankäme.
bb) Soweit das Landgericht darüber hinaus bei der von der Ange-klagten
durchgeführten Behandlungsmethode einer sog. "Innenweltreise"
die weitere Gefahr gesehen hat, dass der Patient tiefer in einen regressiven
Zustand verfalle und dies nachteilige ge-sundheitliche Folgen habe, wenn die
durch die Synergetik-Therapie ausgelösten regressiven Prozesse nicht in
einem Ge-spräch verarbeitet würden (UA S. 22, 23), kommt es darauf
für die Strafbarkeit der Angeklagten konstitutiv nicht mehr an. Auch insoweit
wohnte allerdings ihrer Behandlung, an deren Ende keine nachbereitende Besprechung
über das zuvor Erlebte stand, die Eignung inne, gesundheitliche Schädigungen
hervorzurufen. Dabei besteht die Gefahr einer Vertiefung regressiver Prozesse
nicht nur beim Wiedererleben traumatischer Erlebnisse (wie in den Fällen
II. 5 und II. 6 der Urteilsgründe), sondern auch hinsichtlich des psychoanalytischen
Elements der Konfrontation, die sich nach den Feststellungen des Landgerichts
auf die Vorstellung innerer Bilder bezieht (UA S. 8, 20), mit denen abgespaltene
Per-sönlichkeitsbilder bewusst gemacht werden sollen. Danach kann die Methode
des Bildererlebens auch ohne das Wiedererleben eines Traumas regressive Prozesse
auslösen, die in jedem Fall gesprächsweise verarbeitet werden müssen,
um unmittelbare Gesundheitsgefahren zu vermeiden. Dabei liegt es im Übrigen
- obwohl sich die Kammer dazu nicht verhält - nahe, dass ein solches Gespräch
auch nur von einem Therapeuten durchgeführt werden kann, der über
eine entsprechende Ausbildung verfügt.
3. Der Einwand der Revision, dass eine Erlaubnispflicht hier unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Heilbehandlung von Geist-
bzw. Wunderheilern durch Handauflegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März
2004 - 1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705 - "Geistheiler"; Beschluss vom
3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, NJW 2004, 2890 - "Wunderheiler") unverhältnismäßig
sei, da einer Gesundheitsgefahr auch durch gewerberechtliche Auflagen, die lediglich
die Behandlung bestimmter, mit Gesundheitsgefahren verbundener Vorerkrankungen
ausschließt, begegnet werden könne, verfängt nicht. Einerseits
sind die in Rede stehenden Fälle des Handauflegens eines Wunderheilers,
dessen spirituell wirkende und auf rituelle Heilung zielende Tätigkeit
das Bundesverfassungsgericht lediglich unter dem Gesichtspunkt mittelbarer Gesundheitsgefährdung
durch Verzögerung ärztlicher Hilfe zu prüfen hatte, nicht mit
den hier zu beurteilenden Fällen einer psychotherapeutischen Behandlung
vergleichbar; denn von der Behandlungsmethode der Angeklagten gehen die beschriebenen
unmittelbaren Gefahren aus und die ihr zugrunde liegende Lehre erhebt nach den
Feststellungen des Landgerichts den Anspruch, eine alternative, naturwissenschaftlich
begründete Therapieform neben schulmedizinischer Behandlung von Krankheiten
zu sein. Zum anderen würde eine gewerberechtliche Untersagung von Behandlungen
bestimmter Vorerkrankungen deren Erkennung voraussetzen, die entsprechende medizinische
bzw. psychologische Kenntnisse erfordern würde. Die erforderlichen Grundkenntnisse,
ob eine Heilmethode gefahrlos angewendet werden kann oder die Grenzen der Fähigkeiten
des Anwenders überschritten sind, werden neben der nötigen charakterlichen
Zuverlässigkeit gerade durch die Überprüfung vor Erteilung einer
Heilpraktikererlaubnis sichergestellt. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten
Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (zuletzt geändert
durch Verordnung vom 4. Dezember 2002, BGBl. I S. 4456) wird die Heilpraktikererlaubnis
nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und
Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die
Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die
Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Dabei sind Grundkenntnisse
von psychischen Krankheiten, die für deren Diagnose und Therapie erforderlich
sind, Gegenstand sowohl einer allgemeinen als auch einer auf das Gebiet der
Psychotherapie beschränkten Überprüfung (vgl. etwa Ziff. 6, 7
und 8.2 der Richtlinien des Hess. Sozialministeriums zur Durchführung des
HeilprG vom 11. Juli 2007, Hess. StAnz. 2007, S. 1495). Dementsprechend ist
auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über mehrere Untersagungsbescheide,
mit denen u.a. dem Begründer der die selbständige Ausübung der
Synergetik-Therapie als unerlaubte Ausübung der Heilkunde untersagt worden
war, diese Einordnung als verhältnismäßiger Eingriff in die
Berufsfreiheit angesehen worden, da kein gleich geeignetes milderes Mittel ersichtlich
sei (BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28/09, NVwZ-RR 2011, 23). Dass
weitergehende Kenntnisse und Fähig-keiten durch eine erfolgreiche Ausbildung
nach der Bundesärzteordnung oder dem Psychotherapeutengesetz erlangt werden
können, macht die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz nicht ungeeignet.
Der strafbewehrte Erlaubnisvorbehalt ist jedenfalls geeignet, die vom Landgericht
festgestellten von der Synergetik-Methode ausgehenden Gefahren zu verringern
(vgl. auch BVerwG, Urteil vom 26. August 2010, aaO)“ (Anlage 3, Rn. 4
ff.).
Daneben setzt sich das Urteil noch mit dem Problem des Vorliegens eines bedingten
Vorsatzes bei der Beschwerdeführerin auseinander, was jedoch – wie
bereits ausgeführt – nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist.
D. Rechtliche Würdigung
1. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Mit ihr wendet sich die Beschwerdeführerin
gegen Entscheidungen der öffentlichen Gewalt – das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 15.06.2010 und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.06.2011
– mit der Be-hauptung, durch diese in ihren Grundrechten verletzt worden
zu sein. Die angefochten Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführerin
in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. im Einzelnen unter D.2.).
Die Frist gemäß § 93 BVerfGG ist gewahrt, da die Beschwerdeführe-rin
nicht an der Hauptverhandlung vor dem 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am
22.06.2011 teilgenommen hat und das schriftliche Urteil der Beschwerdeführerin
bzw. ihrem Verteidiger am 14.10.2011 formlos zugegangen ist.
Der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist Rechnung getragen, da der
Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs keine Rechtsmittel
zustehen und sie sich bereits vor den Fachgerichten um einen entsprechenden
Grundrechtsschutz bemühte, indem sie geltend gemacht hat, dass ihr Verhalten
nicht strafbar ist.
2. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde
Soweit die Urteile des Landgerichts Frankfurt am Main und des Bun-desgerichtshofs
die von der Beschwerdeführerin ausgeübte Syner-getik-Therapie im Hinblick
auf kranke Klienten mit dem Ziel der Hei-lung und Linderung als „Ausübung
der Heilkunde“ im Sinne des Heilpraktikergesetz angesehen haben, verkennen
sie Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz. Die hieraus abgeleitete
Erlaubnispflicht und die daran anknüpfende strafrechtliche Sanktionierung
führen zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der
Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts setzen Eingriffe
in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz zumindest eine ausreichende Rechtfertigung durch
Gründe des Gemeinwohls und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
voraus.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat – vom Bundesgerichtshof nicht beanstandet
– verneint, dass von der Synergetik-Therapie mit-telbare Gesundheitsgefahren
durch die Vernachlässigung einer notwendigen ärztlichen Behandlung
ausgehen (Anlage 1, S. 29). Nach den Feststellungen des Landgerichts steht weiter
fest, dass es bei keinem der 28 Klienten, bei denen die Synergetik-Therapie
durch die Beschwerdeführerin angewendet wurde, zu einer gesundheitlichen
Schädigung kam (Anlage 1, S. 9, 33), sondern alle Klienten der Beschwerdeführerin
die Synergetik-Therapie als angenehm empfanden und sich bei ihr gut aufgehoben
fühlten (Anlage 1, S. 9). Hinzu kommt, dass den vom Landgericht gehörten
Sachverständigen Dr. Andritzky und Dr. Goldschmidt nicht ein Fall bekannt
ist, in denen die Synergetik-Therapie tatsächlich gesundheitliche Beeinträchtigungen
hervorgerufen hat (Anlage 1, S. 21 ff.), obwohl seit Mitte der neunziger Jahre
mehrere hundert Personen sich zum Synergetik-Therapeuten ausbilden ließen
und die Synergetik-Therapie anwenden (Anlage 1, S. 4 ff.). Letztlich hat das
Landgericht für gesunde Klienten sogar ausdrücklich die bloße
Gefahr mittelbarer oder unmittelbarer gesundheitlichen Schädigungen durch
die Synergetik-Therapie verneint (Anlage 1, S. 33).
Soweit das Landgericht und der Bundesgerichtshof bei Anwendung der Synergetik-Therapie
auf kranke Klienten zu Zwecken der Heilung und Linderung eine unmittelbare gesundheitliche
Gefahr gesehen und sie deshalb dem strafbewehrten Erlaubniszwang nach dem Heilpraktikergesetz
unterworfen haben, hält dies einer verfassungsrechtlichen Prüfung
nicht stand:
Grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen bereits deshalb,
weil das Vorliegen von gesundheitlichen Gefahren für kranke Klienten durch
die Synergetik-Therapie nur einheitlich beurteilt werden kann, das Heilpraktikergesetz
aber nicht allein an dieser Gefahrenlage anknüpft, sondern nach der Zielsetzung
der Therapie differenziert, so dass es – bei identischer Gefahrenlage
– kranke Klienten von vorn herein nur dann schützt, wenn sie die
Therapie zur Linderung oder Heilungen ihrer Krankheiten in Anspruch nehmen,
nicht aber, wenn dies zu anderen Zwecken (Selbsterfahrung u.a.) geschieht [(vgl.
unter a)].
Vor allem aber sehen sich sowohl die von Bundesgerichtshof und Landgericht zur
Rechtfertigung der strafbewehrten Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz
angenommene Gesundheitsgefahr der Dekompensation bei einer kleinen Gruppe klar
umgrenzter psychischer Erkrankungen [(vgl. unter b)] als auch die vom Landgericht
daneben angenommene Gefahr der Vertiefung regressiver Prozesse [(vgl. unter
c)] durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt:a) Differenzierung
nach der Zielsetzung der Synergetik bei identischer Gesundheitsgefahr
Die Synergetik-Therapie wird nicht nur zum Heilen und Lindern von Krankheiten
und Leiden angewandt, sondern auch – und zwar sowohl bei gesunden als
auch kranken Klienten – zu völlig anderen Zwecken, etwa zur Selbsterfahrung,
Stärkung des Selbstbewusstseins, zur Klärung von Lebensfragen und
zur Sinnfindung (Anlage 1, S. 32 ff.).
Das Heilpraktikergesetz ist aber grundsätzlich auf die Synergetik-Therapie
nur in den Fällen anwendbar, soweit sie zum Heilen und Lindern von Leiden
angewandt wird (§ 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz), nicht hingegen, wenn dies
mit einer anderen Zielsetzung erfolgt und zwar selbst dann, wenn es sich um
einen kranken Klienten handelt, der jedoch in der Synergetik keine Linderung
oder Heilung sucht, sondern sich selbst erfahren will usw., so dass das Landgericht
Frankfurt am Main die Beschwerdeführerin nicht nur in den Fällen freigesprochen
hat, in denen die Synergetik-Therapie auf gesunde Klienten angewandt wurde,
sondern auch bei kranken Klienten, soweit die Therapie nicht zur Heilung oder
Linderung erfolgte (Anlage 1, S. 32 ff.).
Das führt zu dem – verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden
– Ergebnis, dass das Heilpraktikergesetz einem kranken Klienten nur dann
Schutz vor gesundheitlichen Gefahren gewährt, wenn er die Synergetik zu
Heilungs- bzw. Linderungszwecken in Anspruch nimmt, ihn jedoch bei identischer
Gefahrenlage nicht schützt, wenn er die Synergetik mit einer anderen Zielsetzung
– etwa der Selbsterfahrung – nutzt.
Insoweit erscheint das Heilpraktikergesetz im Hinblick auf die Synergetik-Therapie
grundsätzlich ungeeignet, um vor (möglicherweise) von dieser Therapie
ausgehenden Gesundheitsgefahren zu schützen, weil es nicht an den möglichen
Gesundheitsgefahren anknüpft, sondern an der Zielsetzung ihrer Anwendung
(Heilung/Linderung oder anderer Zweck).
Dies stellt jedenfalls vorliegend keinen sachgerechten Grund für eine Differenzierung
dar, weil nach den Feststellungen des Landgerichts die Beschwerdeführerin
sich mit der von ihr durchge-führten Synergetik-Therapie klar von der Schulmedizin,
Heilkunde und Psychotherapie abgrenzte und sie als etwas dazu völlig verschiedenes
darstellte (vgl. nur Feststellungen des Landgerichts Anlage 1, S. 7 ff.), so
dass hier auch nicht die Gefahr bestand, dass die Klienten die Synergetik als
Ersatz für Schulmedizin, Heilkunde oder Psychotherapie ansahen und deshalb
die Zielsetzung der Therapie als sachgerechtes Abgrenzungskriterium für
die Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes in Betracht käme. Vielmehr
hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass insoweit „chronisch
kranke Menschen, die austherapiert und auf der Suche nach alternativer Heilung
sind sowie Menschen angesprochen werden, die an die Theorie der Synergetik glauben
und dies als zusätzliche Möglichkeit, Heilung zu erfahren, betrachten“
(Anlage 1, S. 18).
b) Gesundheitsgefahr durch Kontraindikation wegen des
Vorliegens bestimmter psychischer Erkrankungen
Soweit Landgericht und Bundesgerichtshof in allen 11 Fällen der Verurteilung
eine potentielle unmittelbare Gesundheitsgefahr in der Gefahr einer Dekompensation
bei Bestehen bestimmter psychischer Vorerkrankungen gesehen haben, fehlt es
in den 9 Fällen, in denen eine solche Vorerkrankung nicht vorlag, bereits
an einer Gesundheitsgefahr [(vgl. unter (aa)] und im Übrigen ist in allen
Fällen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt [(vgl.
unter (bb)]:
(aa) Fehlen einer Gesundheitsgefahr in 9 von 11 Fällen
Das – sachverständig beratene (Anlage 1, S. 20 ff.) – Landge-richt
ist davon ausgegangen, dass die Synergetik-Therapie in allen 11 Fällen
der Verurteilung eine die Anwendbarkeit von § 5 Heilpraktikergesetz rechtfertigende
Gesundheitsgefahr durch Dekompensationen vorliegt (Anlage 1, S. 23 f.).
Dies begegnet bereits deshalb durchgreifenden verfassungs-rechtlichen Bedenken,
weil die vom Landgericht angenommene Gesundheitsgefahr durch Dekompensation
nach den Urteilsfeststellungen nur bei einer kleinen Gruppe bestimmter psychischen
Erkrankungen droht, nämlich bei solchen psychisch kranken Klienten, „die
zunächst Psychopharmaka benötigen, um therapiefähig zu sein sowie
bei Klienten mit Borderlinestörungen, latenten und manifesten Psychosen“
(Anlage 1, S. 28). Aus den schriftlichen Urteilsgründen folgt weiter, dass
eine derartige psychische Erkrankung nur bei zwei Klienten vorlag, nämlich
in den Fällen II.6. (Anlage 1, S. 12) und II.11. (Anlage 1, S. 14), in
denen dementsprechend eine Synergetik-Therapie kontraindiziert war (Anlage 1
S. 28).
In allen anderen 9 Fällen der Verurteilung hat das Landgericht hingegen
nicht festgestellt, dass die Klienten an einer solchen, zur Kontraindikation
führenden psychischen Erkrankung litten, so dass hier die Gesundheitsgefahr
einer Dekompensation ebenso ausgeschlossen ist, wie bei gesunden Klienten, für
die nach den Feststellungen des Landgerichts weder eine mittelbare noch eine
unmittelbare Gesundheitsgefahr durch die Synergetik-Therapie bestand (Anlage
1, S. 33). In diesen 9 Fällen der Verurteilung scheidet eine derartige
Gesundheitsgefahr deshalb von vorn herein als Anknüpfungspunkt für
eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Einschränkung der Berufsfreiheit
aus.
Dieses Problem hat auch der Bundesgerichtshof gesehen und versucht es dadurch
zu lösen, dass nach seiner Auffassung eine potentielle unmittelbare Gesundheitsgefahr
bereits in der Gefahr des Nichterkennens einer psychischen Krankheit, die zu
einer Kontraindikation führe, besteht und zwar unabhängig davon, ob
der Betreffende tatsächlich an einer solchen Krankheit leidet (Anlage 3,
Rn. 12). Deshalb hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung der Beschwerdeführerin
auch in den 9 Fällen bestätigt, in denen die Klienten nicht an einer
psychischen Erkrankung litten, die zu einer Kontraindikation führt, obwohl
hier die Gesundheitsgefahr einer Dekompensation ausgeschlossen war bzw. objektiv
nicht vorlag.
Insoweit wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits seinen eigenen
Maßstäben nicht gerecht, weil er den Tatbestand des § 5 Heilpraktikergesetz
als potentielles Gefährdungsdelikt einordnet (Anlage 3, Rn. 5). Wie vom
Bundesgerichtshof aber richtig ausgeführt, setzt die Erfüllung eines
potentiellen Gefährdungsdelikts voraus, „dass die jeweilige Handlung
bei genereller Betrachtung der konkreten Tatumstände gefahrgeneigt ist“
(Anlage 3, Rn. 5) wofür es – wie es in der vom Bundesgerichtshof
in Bezug genommenen (Anla-ge 3, Rn. 5) Kommentierung von Fischer, StGB, 58.
Aufl., § 224 Rn. 12 heißt – auf die Umstände des Einzelfalls
an-kommt:
Bei dem potentiellen Gefährdungsdelikt der das Leben ge-fährdenden
Behandlung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird deshalb ein kräftiger
Schlag mit der flachen Hand auf den Kopf eines unverletzten Geschädigten
keine das Leben gefährdende Behandlung darstellen, wohl aber, wenn der
Ge-schädigte zuvor einen Schädelbasisbruch erlitten hat. Auf §
5 Heilpraktikergesetz umgesetzt bedeutet dies, dass durch die Synergetik-Therapie
die unmittelbare Gesundheitsgefahr der Dekompensation wegen des Bestehens bestimmter
psy-chischer Vorerkrankungen nur dann gegeben ist, wenn diese Vorerkrankungen
vorliegen, weil es nur dann durch die Synergetik-Therapie überhaupt zu
einer Dekompensation kommen kann.
Im Übrigen kann der Lösungsansatz des Bundesgerichtshofs auch einer
verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, weil Anknüpfungspunkt
für die Strafbarkeit nicht mehr – wie vom Bundesverfassungsgericht
gefordert – das Bestehen einer Gesundheitsgefahr ist, sondern allein die
fehlende Möglichkeit des Prüfens einer Gesundheitsgefahr, die nach
Auffassung des Bundesgerichtshofs selbst dann bestraft werden soll, wenn eine
Gesundheitsgefahr objektiv ausgeschlossen ist (was vorliegend in 9 von 11 Fällen
der Verurteilung der Fall ist).
(bb) Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Hinzu kommt, dass die von Landgericht und Bundesgerichtshof in allen 11 Fällen
der Verurteilung angenommene strafbewehrte Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz
nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
in Einklang zu bringen ist und zwar sowohl im Hinblick auf die Geeignetheit
als auch die Erforderlichkeit.
Die Ungeeignetheit der Erlaubnispflicht – und der damit zusammenhängenden
Strafdrohung – zum Schutz vor der ange-nommenen Gesundheitsgefahr ergibt
sich aus folgenden Überlegungen:
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs setzt die Erteilung einer Erlaubnis nach
dem Heilpraktikergesetz lediglich „Grundkenntnisse von psychischen Krankheiten,
die für deren Diagnose und Therapie erforderlich sind“ (Anlage 3,
Rn. 14) voraus. Derartige Grundkenntnisse nach dem Heilpraktikergesetz können
die Beschwerdeführerin jedoch gar nicht zu einem sicheren Erkennen von
Borderlinestörungen, latenten und manifesten Psychosen und mit Psychopharmaka
behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen befähigen, weil dies
allein durch eine medizinische Ausbildung zum Arzt (Psychiater) leistbar wäre.
Genau aus diesem Grund benötigen selbst Psychotherapeuten in jedem Fall
den Konsiliarbericht eines Arztes (Anlage 1, S. 21) und selbst der Bundesgerichtshof
hat vorliegend nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Beschwerdeführerin
durch den Erwerb einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz in die Lage versetzt
würde, mit Sicherheit die Fälle einer Kontraindikation und die damit
verbundene Gesundheitsgefahr zu erkennen, sondern lediglich, dass die Erlaubnis
zu einer Verringerung der Gefahr führen würde (Anlage 3, Rn. 14).
Eine solche Verringerung kann unter Verhältnismäßigkeitsge-sichtspunkten
bereits deshalb nicht zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dafür herhalten,
die Beschwerdeführerin zum Ablegen einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz
zu zwingen, weil durch die Erlaubnis der Anschein erweckt würde, die Beschwerdeführerin
verfüge – staatlich geprüft – über die notwendigen
Kenntnisse zum eigenverantwortlichen Ausüben ihrer Tätigkeit, was
aber gerade nicht der Fall ist, weil sie trotz der für die Erlaubnis nach
dem Heilpraktikergesetz erforderlichen Kenntnisse nicht in der Lage wäre,
Borderlinestörungen, latenten und manifesten Psychosen und mit Psychopharmaka
behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen sicher zu erkennen. Dazu
wäre sie nur durch eine entsprechende medizinische Ausbildung zum Psychiater
in der Lage.
Mithin verstößt der strafbewehrte Erlaubniszwang nach dem Heilpraktikergesetz
für die Synergetik-Therapie bereits mangels Geeignetheit zur Abwendung
der davon ausgehenden Gesundheitsgefahren bei bestimmten psychischen Vorerkrankungen
gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Darüber hinaus – und auch dies verkennen Landgericht und Bundesgerichtshof
– ist eine Heilpraktikererlaubnis zur Vermeidung der von ihnen gesehenen
Gesundheitsgefahren bei bestehender Kontraindikation durch bestimmte psychische
Vorerkrankungen auch nicht erforderlich:
Denn da die von Landgericht und Bundesgerichtshof gesehene unmittelbare Gesundheitsgefahr
einer Dekompensation allein dann droht, wenn der Klient an einem kleinen, fest
umrissenen Kreis bestimmter psychischer Vorerkrankungen leidet (Borderlinestörungen,
latenten und manifesten Psychosen und mit Psychopharmaka behandlungsbedürftigen
psychischen Erkrankungen), muss lediglich sichergestellt werden, dass die Synergetik-Therapie
nicht bei einem solchen Klienten durchgeführt wird. Dies lässt sich
jedoch bereits durch die gewerberechtliche Auflage erreichen, dass die Synergetik-Therapie
generell nur nach der Vorlage eines ärztlichen Konsiliarberichts durchgeführt
werden darf, der bestätigt, dass keine psy-chische Vorerkrankung besteht,
die eine Kontraindikation mit sich bringt.
Im Übrigen wäre eine solche gewerberechtliche Auflage nicht nur ein
milderes Mittel, als die strafbewehrte Auflage zum Erwerb einer Erlaubnis nach
dem Heilpraktikergesetz, sondern sie wäre zugleich der sicherere und wirksamere
Weg, weil hier die Einschätzung, ob eine psychische Erkrankung vorliegt,
die zur Kontraindikation führt, von dem Personenkreis vorgenommen wird,
der dazu aufgrund seiner Ausbildung allein mit der erforderlichen Sicherheit
in der Lage ist, nämlich einen Arzt!
Eine derartige Lösung hätte zudem den weiteren Vorteil, dass so auch
kranke Klienten geschützt würden, die die Synergetik nicht zur Linderung
oder Heilung, sondern zu anderen Zwecken in Anspruch nehmen und die deshalb
aus den oben unter
a) dargelegten Gründen aus dem Schutzbereich des Heilpraktikergesetzes
ganz herausfallen. Mit anderen Worten: Die gewerberechtliche Auflage der vorherigen
Beibringung einer ärztlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung würde
für alle Klienten einheitlich sicherstellen, dass nur solche Klienten die
Synergetik-Therapie durchführen, bei denen keine Kontraindikation vorliegt.
Nachdem das Urteil des Bundesgerichtshofs als alleinige von der Synergetik ausgehende
Gesundheitsgefahr die Gefahr des Nichterkennens einer psychischen Erkrankung,
die zur Kontraindikation führt, gesehen hat, kann seine Entscheidung bereits
aus den dargelegten Gründen verfassungsgerichtlich keinen Bestand haben.
c) Gesundheitsgefahr durch Vertiefung regressiver Prozesse
Im Gegensatz zum Bundesgerichtshof, der in seiner Entscheidung ausdrücklich
ausgeführt hat, dass es für die Strafbarkeit der Beschwerdeführerin
nicht konstitutiv darauf ankomme, ob mit der Synergetik auch die (weitere) potentielle
unmittelbare Gesundheitsgefahr durch die Vertiefung regressiver Prozesse bestehe,
weil diese nicht in einem anschließenden Gespräch verarbeitet werden
und der Bundesgerichtshof dementsprechend das Vorliegen einer solchen Gesundheitsgefahr
offen gelassen hat (Anlage 3, Rn. 13), begründet das Landgericht Frankfurt
am Main den Vorwurf der unerlaubten Ausübung der Heilkunde gem. §§
5, 1 Heilpraktikergesetz auch mit dieser Gesundheitsgefahr (Anlage 1, S. 20
ff., 23).
Dies sieht sich bereits deshalb durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken
ausgesetzt, weil die Feststellungen des Landgerichts insoweit widersprüchlich
sind: Denn das Landgericht ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass für
gesunde Klienten von der „Synergetiktherapie weder mittelbare noch unmittelbare
Gesundheitsgefahren“ ausgehen (Anlage 1, S. 33), d.h., dass bei gesunden
Menschen selbst die nicht gesprächsverarbeitete Konfrontation mit belastenden
Erleben oder Traumata nicht zu einer gesundheitsgefährdenden Vertiefung
regressiver Prozesse führen kann.
Dann versteht es sich aber nicht von selbst und hätte der näheren
Darlegung durch das Landgericht bedurft, weshalb diese Gefahr bei kranken Klienten
unabhängig davon bestehen soll, ob sie lediglich an einer körperlichen
Erkrankung leiden, wie etwa die beiden Klienten in den Verurteilungsfällen
II.1. und 8. (Hautausschlag, Inkontinenz - Anlage 1, S. 10, 13) oder an einer
psychischen Erkrankung bzw. an welcher psychischen Erkrankung sie leiden.Hinzu
kommt, dass nach den Feststellungen des Landgerichts die Klienten in der Synergetik-Therapie
zwar z.T. belastende Ge-schehnisse in ihrer Vorstellung erneut erlebten, sie
„sich jedoch andere Verläufe dieser Geschehnisse vor(stellten), um
so die negative Empfindung des Erlebten aufzulösen“ (Anlage 1, S.
8). Insoweit unterscheidet sich die Synergetik-Therapie nach den Urteilsfeststellungen
von der Psychotherapie und auch deshalb versteht es sich nicht von selbst und
hätte der näheren Darlegung durch das Landgericht bedurft, warum trotz
dieser Auflösung der negativen Empfindungen im Rahmen der Synergetik-Therapie
die Gefahr der Vertiefung regressiver Prozesse bestehen soll, wie sie im Rahmen
der Psychotherapie bei der Konfrontation mit belastenden Erleben und Traumata
(ohne Vorstellung eines anderen Verlaufs und ohne Auflösung der negativen
Empfindungen) drohen kann, so dass hier die regressiven Prozesse im Anschluss
durch ein Gespräch verarbeitet werden müssen.
Im Übrigen kommt nach den Feststellungen des Landgerichts die Gesundheitsgefahr
durch die Vertiefung regressiver Prozesse bei Unterbleiben verarbeitender Gespräche
ohnehin nur dann in Betracht, soweit es im Rahmen der Synergetiktherapie zum
Wiedererleben traumatischer Erfahrungen bzw. zur Konfrontation mit erinnerten
belastenden Erlebnissen kommt (Anlage 1, S. 20, 22 f.)
Nach den Feststellungen des Landgerichts ist die Synergetik-Therapie der Beschwerdeführerin
aber nicht in jedem Fall mit dem Wiedererleben von Traumata verbunden gewesen,
weil dies naturgemäß nur bei solchen Klienten möglich ist, die
ein Trauma erlebt hatten. Dies ist nach den Urteilsfeststellungen nur bei zwei
Klienten der Fall (II.5. = Anlage 1, S. 11 f. und II.6. = Anlage 1, S. 12).
Zudem ist das Landgericht ausdrücklich davon ausgegangen, dass während
der Synergetik-Therapie der Angeklagten deren Klienten lediglich „zum
Teil mit erinnerten belastenden realen Erlebnissen konfrontiert“ wurden
(Anlage 1, S. 8). Positiv festgestellt hat das Landgericht dies nur in einem
Fall (II.5. = Anlage 1, S. 11 f.).
Jedenfalls in allen anderen 10 Fällen der Verurteilung, scheidet eine Gesundheitsgefahr
durch die Vertiefung regressiver Prozes-se bereits deshalb aus, weil das Landgericht
nicht festgestellt hat, dass in der jeweiligen Synergetik-Therapie das dafür
erforderliche Wiedererleben traumatischer Erfahrungen bzw. die Konfrontation
mit erinnerten belastenden Erlebnissen stattgefunden hat.
Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung – nicht tra-gend –
ausführt, dass die Gefahr der Vertiefung regressiver Pro-zesse nicht nur
beim Wiedererleben traumatischer Erlebnisse, „sondern auch hinsichtlich
des psychoanalytischen Elements der Konfrontation (bestehe), die sich nach den
Feststellungen des Landgerichts auf die Vorstellung innerer Bilder beziehe (UA
S. 8, 20), mit denen abgespaltene Persönlichkeitsbilder bewusst gemacht
werden sollen“ (Anlage 3, Rn. 13), löst er sich von den insoweit
bindenden Feststellungen des Landgerichts:
Denn das Landgericht Frankfurt am Main hat ausdrücklich festgestellt, dass
es sich bei der Verwendung innerer Bilder zur Bewusstmachung abgespaltener Persönlichkeitsbilder
und das Wiedererleben traumatischer Erfahrungen um zwei verschiedene psychoanalytische
Methoden handelt (Anlage 1, S. 20). Die Gefahr der Vertiefung regressiver Prozesse
hat das Landgericht jedoch lediglich bezüglich „der psychoanalytischen
Elemente der Konfrontation bzw. des Wiedererlebens traumatischer Erlebnisse“
gesehen (Anlage 1, S. 23). Eine solche Konfrontation mit belastenden realem
Erleben hat nach den Urteilsfeststellungen bei den Synergetik-Therapie-Sitzungen
aber nur „zum Teil“ stattgefunden (Anlage 1, S. 8) und positiv festgestellt
hat das Landgericht eine solche Konfrontation nur – wie bereits dargelegt
– nur in einem einzigen Fall.
Das Urteil des Landgerichts sieht sich zudem unter Verhältnis-mäßigkeitsgesichtspunkten
durchgreifenden verfassungsrechtli-chen Bedenken ausgesetzt, weil mildere Mittel
zur Verfügung stehen, etwa die gewerberechtliche Auflage, im Rahmen der
Sy-nergetik auf die Konfrontation mit belastenden Erleben zu verzichten bzw.
im Anschluss an eine Synergetik-Therapie, in der ei-ne Konfrontation mit belastenden
Erleben stattfand, ein verarbei-tendes Gespräch mit dem Klienten zu führen.
Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die vom Landgericht Frankfurt am Main und dem Bundesgerichtshof angenommene Er-laubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz für die Anwendung der Synergetik-Therapie bei kranken Klienten zur Linderungen und Hei-lung und die daran anknüpfende strafrechtliche Sanktionierung zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) führt.
Dr. Wirth
Rechtsanwalt
Anlage 1: Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.06.2010,
Az. 5/26 KLs 8910 Js 206769/08 (2/10)
Anlage 2: Revisionsbegründungsschriftsatz vom 03.12.2010
Anlage 3: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.06.2011, Az. 2 StR 580/10