Mutter und Selbstmord (225)
Die Klientin leidet unter Tinnitus, verbunden mit extremen Schwindelanfälle. In dieser Sitzung bearbeitet sie den Selbstmord ihrer Mutter, die von einer Brücke gesprungen ist. Die Klientin springt in ihrer Innenwelt auch von dieser Brücke - erlebt dabei das gleiche Schwindelgefühl - kann ihren ganzen Schmerz und endlich auch ihre Mutter loslassen und sich schließlich ganz dem Leben wieder zuwenden.
Kl: Ich bin schon wieder im Elternhaus meines Vaters, bei meinen Großeltern
im Keller. Ich glaub‘ es geht schon wieder um Leichen. - Da ist gerade
so ein Holzsarg gebracht worden. Das ist noch eine Generation zurück. Meine
Urgroßeltern, eine Schwester von meiner Oma, die hatte, ich weiß
nicht, sieben oder acht Geschwister, und eine Schwester, die hat sie im Sarg
zurückgebracht. Die war weg, in Bad Nauheim als Zimmermädchen, und
die…
Th: Ja, schau es dir mal an. Schau es dir mal an und schau mal, spür‘
mal, was du empfindest.
Kl: - Pause – Die Armut. Sie hat ge-dacht, sie kommt da raus vielleicht,
so als, so ein bißchen, so ein Zimmermäd-chen. Ist alles schön
sauber da. Und irgendwie da, ich weiß auch nicht genau, irgendwie da ist
sie in eine Jauchegrube gefallen. Und da hat sie sich irgendwie verletzt, sie
ist jedenfalls, ist sie ein paar Wochen später unter ungeklärten Um-ständen
gestorben. Und meine Urgroß-eltern lassen jetzt den Sarg aufmachen, und
die gucken sich das jetzt an. Ich weiß aber nicht mehr, was da jetzt eigentlich
so schrecklich war. Jedenfalls haben sie da irgendwas gesehen, was sie vorher
nicht wußten.
Th: Dann schau mal hin.
Kl: - Atmet tief durch. – Hm, ich kann nichts sehen. Das ist ein Bild,
das so bestimmt nicht war, weil sie, sie ist, also was ich jetzt sehe, ist halt,
daß sie noch von dem ganzen Mist da aus dieser Jauche da bedeckt ist.
Sie stinkt.
Th: Mhm, sag‘ ihr das mal.
Kl: Du stinkst. Du, das ist aber ein schrecklicher Tod in so eine Jauchegru-be
fallen, iih, das ist so was Furchtbares. Das heißt, du bist ja da rausgezogen
worden wieder, du hast ja da noch mal gelebt, aber irgendwas hast du dir da
geholt.
Th: Frag‘ sie doch mal.
Kl: Woran bist du denn gestorben? Sie hat gesagt, ja, ich hatte so offene Stellen
in meiner Haut und da ist das dann irgendwie reingekommen in meinen Körper,
und ich konnte es nicht mehr ausscheiden. Ich bin irgendwie wie innerlich vergiftet.
Da kommt jetzt auch eine andere Schwester und die hat auch ein Bein amputiert.
Echt, so viele Verwundungen und Tote. – Die Thera-peutin fordert zur direkten
Kommunikati-on auf. – Aah, ihr seid alle Trauergest-alten, echt, ich kann
euch nicht mehr sehen.
Th: Was löst das denn aus bei dir?
Kl: Hm. – Atmet tief. – Ja, meine berühmte Mischung aus so
tiefem irgendwie, aah es tut alles so weh, das zu sehen und irgendwie auch Wut.
Das ist so, ach, das ist so…au Mann, die tun mir so leid. Und die hatten,
die ist jetzt schon gealtert, so kenne ich sie auch. Ich habe sie auch erlebt.
– Therapeutin fragt nach. – Meine, das ist meine Großtante,
die mit dem einen Bein. Ich weiß nicht mehr, warum sie das verloren hat.
Die hat sich auch irgendwie verletzt, gab‘s dann auch so eine Art Vergiftung
oder was und dann haben sie es halt abgeschnitten. Und die hat auch nie einen
Mann gekriegt, weil wer, welcher Mann will so eine Frau. Das geht nur umgekehrt,
meistens. Äh, und dann kriegt sie auch noch einen Buckel. Die ist wie so
eine Hexe.
Th: Sag‘s ihr.
Kl: Du bist wie eine Hexe. Du hast auch so einen Stock und dann laufen immer
die Gänse hinter dir her. Deine Kleidung ist so arm, mit Löchern und
geflickt und nur so schwarz und blau, alles so Leinenzeug. Was ist denn das
für ein Leben? Im Hof steht so ein Plumpsklo, da stinkt‘s auch und
da sind Fliegen und so. Und meine Oma, die ist jetzt auch da, die kauft sich
noch nicht mal Klopapier, die schneidet aus so Werbeprospekten und so, so total
hartes Papier, schneidet die es dann immer zurecht als Klopapier. So was Armes.
Th: Frag‘ sie doch mal, wie sie sich fühlt dabei, ob sie wirklich
das Gefühl hat, sie ist arm dran. Vielleicht geht es ihnen auch gut damit,
weil das ist das, was sie immer gelebt haben. Es ist vertraut. Frag‘ sie
doch mal.
Kl: Mhm. Geht‘s dir eigentlich gut damit? Sie sagt, ja, ist doch normal.
Sag ich zu ihr, ich glaube, dir bleibt auch nichts anderes übrig. Das ist
alles so hart. Da muß man auch so ein hartes Leben…du mußtest
ja auch schon als Kind auf‘s Feld und so weiter, schon nachts aufstehen
und arbeiten. Da kann man sich keine Empfindlichkeiten mehr leisten. - Pause
– Und da ist noch einer, der so entstellt ist. Das ist mein Großonkel.
Der hat irgendwie so eine Geschwulst an der Backe, der hat so ein Riesenei hier.
Er läßt es aber nie operieren. Jetzt denke ich gerade dran, in meiner
Familienthe-rapieausbildung da mußten wir alle für so ein Eigentherapieseminar
unseren Stammbaum so malen vorher. Ich habe das auch gemacht und, und konnte
zu jeder Person so hinschreiben was man so wollte, was einem dazu einfiel. Und
ich war die Einzige, die immer bei allen hingeschrieben hat woran sie gestorben
sind oder was sie für Krankheiten hatten. Und ich fand das völlig
normal. Und dann erst als ... bei den anderen stand so was alles gar nicht.
Einer ist, glaube ich, an Euthanasie gestorben, ist ver..vergast worden und
so was alles und viele Selbstmorde. Die eine, eine andere Schwester von meiner
Oma, die habe ich auch noch gekannt, die hat sich ertränkt, und dann, ihre
Tochter, das ist eine Cousine von meinem Vater, die hat Schlaftabletten genommen,
ist auch gestorben, später. Was ist denn das für eine Familie?
Th: Ja, sag‘s ihnen, was sie für ein Haufen sind.
Kl: Ich kann euch nicht mehr leiden im Moment, echt. Ich will nicht, ach, echt,
- Die Therapeutin provoziert den Ge-brauch des Schlagstockes. - immer nur Krankheit,
immer nur Krankheit und so weiter… - Die Klientin nimmt den Schlagstock,
Musik wird eingespielt. – Die können ja nichts dafür. –
Die Klientin schlägt einmal zu. Die Therapeutin be-stätigt sie dabei.
– Ich kann das Elend nicht mehr sehen. Sollen sich mal ein bißchen
berappeln, mal ihr Leben in die Hand nehmen.
Th: Mach ihnen doch mal Beine. Bringe sie mal in ihre Lebendigkeit.
Kl: Ja. – schlägt mehrmals auf den Boden – Die gehen so gebeugt.
Th: - bestätigt sie kontinuierlich – Ja, klopf ihnen die Rücken
gerade, ja – usw. –
Kl: Los, jetzt lauf mal ein bißchen. Nur Krankheit und Tod, ich kann‘s
nicht mehr sehen. - Irgendwie kommt mehr Licht in dieses dunkle Gemäuer
da. Das ist so ein verschrumpeltes, verhutzeltes Fach-werkhaus.
Th: Mhm. Komm mach mehr Licht rein. Hau noch ein paar Wände ein. Mach noch
ein paar Fenster, mach Licht. Nimm‘s Dach ab, was weiß ich, wozu
du Lust hast. Und mach denen Beine, daß die endlich mal aus ihrem Selbstmitleid
da raus kommen.
Kl: Mhm, dieses Verhärmte. – schlägt weiter – Ich kann
das Verrückte nicht mehr sehen. – Die Therapeutin bestätigt
sie dabei kontinuierlich. – Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich denke,
die können ja nichts dafür. – Sie soll es ihnen sagen. –
Ich weiß ja, daß ihr nichts dafür könnt.
Th: Guck mal, ob sie wirklich nichts dafür können, ob sie sich das
nicht ein Stück weit selber schaffen.
Kl: Na ja, wenn man in Deutschland aufwächst, so mit zwei Weltkriegen.
Aaah, dann nur arbeiten, bloß keine Freude.
Th: Ja, guck mal was andere daraus machen.
Kl: Hm, dann muß ich aus Deutschland rausgehen. – lacht –
Th: Och, in Deutschland gibt‘s auch genug fröhliche Menschen. Guck
mal hin.
Kl: Ich glaub, ich sammel die jetzt mal ein und gehe mal mit denen nach Italien.
Th: Ja, gut.
Kl: Los, wir fahren jetzt mal nach Italien. Genau, die sollen jetzt mal ein
bißchen von denen lernen. – Fröhliche Musik wird eingespielt.
– Wir haben da so eine Kutsche gemietet und, äh, fahren da jetzt
so durch diese sonnendurchflutete Land-schaft. So das Pferdegetrappel und die
Mähnen wehen so im Wind.
Th: Schau dir mal die Gesellschaft an, die du da bei dir hast.
Kl: Es ist eine ganze Gruppe. Die freuen sich aber, glaube ich. Ja.
Th: Schau mal, was aus ihren Krankhei-ten wird, wenn sie sich jetzt hier drinnen
wohl fühlen und sich freuen, Spaß haben.
Kl: Die eine Tante, die, die da sich ertränkt hat, die ist total in Schwarz
gekleidet, wie ich das auch so seit meiner Jugend gemacht habe. Die ist auch
ziemlich dünn und so, mal gucken, was die jetzt macht. Hm, ihr Mann, der
ist an Krebs gestorben. Das ist eine Gemein-heit, daß du dich ertränkt
hast, wo er schon im Sterben lag. Der hat gerade noch mal vier Wochen gelebt
vielleicht. Der lag schon im Krankenhaus und hat mit dem Tod gerungen, und dann
gehst du noch ins Wasser. Das finde ich so was von hundsgemein. Daß der
arme sterbende Mann da noch an deinem Grab stehen muß. Also echt.
Th: Spür‘ mal, ob sie‘s einfach nicht geschafft hat, ihn in
seinem Tod zu begleiten. Frag‘ sie mal.
Kl: Ja, stimmt. Hast du ihn nicht begleiten können? Mhm, jetzt fängt
sie an zu weinen. Sie sagt, ich….Sage ich, ja aber du kannst das doch
nicht einfach machen. Du mußt doch auch mal an ihn denken, nicht nur an
dich. Dann sagt sie, ach der ist doch stark.
Th: Der ist stark, ja? Stärker als sie?
Kl: Mhm, sagt sie. Sage ich, du hast vielleicht eine Meinung. Damit rechtfertigst
du dir das doch nur. Sitzt auch meine Mutter da wieder.
Th: Bist du wütend? Dann laß es raus, wenn du wütend auf sie
bist. Auf sie und deine Mutter, daß die sich einfach umbringen und davonstehlen.
Dann laß es raus.
Kl: Meine Mutter sitzt jetzt neben mir, aber ich bin jetzt wieder…Also,
ich bin jetzt nicht mehr in Italien. Meine Mutter sitzt jetzt neben mir, ich
habe geweint, weil…oder ich weine. Ich habe Krach mit meinem Vater gehabt.
Beim Mittag-essen, dann bin ich, war natürlich mal wieder unterlegen, dann
bin ich auch wieder in mein Zimmer gerannt. Sie kommt ein paar Minuten später
und setzt sich so neben mich auf‘s Bett. Und dann sagt sie…jetzt
kriege ich Herzklopfen…
Th: Mhm, atme mehr.
Kl: - atmet tief durch – Jetzt sagt sie… - spricht jetzt sehr leise
- Komm, laß uns zusammen uns umbringen. Wir legen uns auf die Geleise.
Das geht ganz schnell. Der Vati ist stark. Ich weiß gar nicht, was ich
sagen soll, ich sage…das kannst du doch nicht tun, der Vati ... Da sagt
sie, och, der ist stark, ooch, der ist stark. Da wird nur kurz getrauert, der
übersteht das schon. Da sage ich, das kannst du doch nicht tun.
Th: Was löst das aus bei dir, wenn deine Mutter so kommt?
Kl: - Immer noch sehr leise. -Ich bin fassungslos.
Th: Sag‘s ihr.
Kl: - atmet tief durch und spricht dann wieder etwas lauter weiter – Ich
bin fassungslos, daß du…ich weiß überhaupt nicht, was
ich dazu sagen soll. Ich kann es gar nicht glauben. Ich kann es gar nicht glauben,
daß du das wirklich sagst. Daß du mich so was fragst und daß
du dem Vati so was antun willst. Und mir.
Th: Einem jungen Mädchen, das gerade ins Leben geht.
Kl: Ich kann das nicht glauben.
Th: Atme!
Kl: - atmet schwer – Ich kann das nicht glauben.
Th: Atme mehr!
Kl: Wie kannst du so was sagen? Wie kannst du das überhaupt denken?
Th: Atme mehr!
Kl: - atmet mehrmals tief durch – Nein, ich will das nicht. Ich will das
nicht tun. Und ich will auch nicht, daß du das tust, das habe ich zu ihr
gesagt.
Th: Macht‘s dir Angst?
Kl: - laut – Ja! – Die Therapeutin fordert zur direkten Kommunikation
auf. – Das macht mir so Angst.
Th: Atme! Atme in diese Angst rein!
Kl: - atmet tiefer – Du bist meine Mutter. Du bist doch meine Mutter –
wimmert – Du bist der Tod, ich dachte, du bist meine Mutter. Jetzt lese
ich gerade so, das habe ich gefunden, das lag auf ihrem Nachttisch. Ich weiß
nicht, ob sie das für mich da hingelegt hat. Sie hat mich da hingeschickt,
ich soll was holen. Das liegt da so…So Gedichte, daß sie sich umbringen
will und das beschreibt sie so poetisch. Es sind sehr schöne Gedichte.
Meine Mutter, du kannst so…ich setze sie jetzt einfach mal mit dazu …das
ist so schön, was du da schreibst, aber der Inhalt ist schrecklich. Du,
du bist ja richtig wie eine Dichterin, aber der Inhalt ist so schrecklich. Wie
sie sich auf die Geleise legt und so, und wie dann der Zug kommt. Das ist schrecklich.
– Die Therapeutin fordert zum Atmen auf. – Das ist schrecklich.
- atmet tiefer – Daß du…ich kann es nicht verstehen. Sie sitzt
jetzt da wie so ein Ske-lett neben mir. – atmet noch tiefer – Ich
will leben. Du Skelett, du. – Die Thera-peutin fordert die Klientin auf,
den Schlagstock zu nehmen. Die Klientin wimmert und beginnt auf den Boden zu
schlagen. Musik wird eingespielt. – Geh weg. – schreit laut und
schlägt weiter – Du bist der Tod, geh weg! – Die Therapeutin
feuert die Klientin immer wieder an, weiter zu machen.
Th: Du hältst ganz viel Verzweiflung fest, die muß raus.
Kl: Ich kann nicht mehr richtig atmen.
Th: Doch, du kannst. Tu‘s einfach. Und laß diesen Schrei raus, der
da noch immer drin sitzt.
Kl: - atmet unter Unterstützung der Therapeutin – Die Brust ist zu
und geht nicht auf. – schlägt zu -
Th: Dann hau‘ sie auf, genau. Ja, drück‘ das aus, ich kriege
keine Luft.
Kl: Du nimmst mir die Luft.
Th: Ja, dann hau sie raus. - Die Klientin schlägt und schreit. - Ja, ja,
ja, weiter, mach Töne dabei! Ja, weiter, geh weiter, du schaffst es, wenn
du jetzt weiter gehst, komm! Ja und mach Töne! – Die Klientin schreit
laut -
Kl: - schlägt – Geh weg! – weint – Geh weg!
Th: - feuert die Klientin weiter an – Nicht wegschicken, hau drauf, ja.
Mach Töne, komm. Geh weiter, komm. Geh weiter.
Kl: Ich muß meine Mutter schlagen.
Th: Ja, sonst nimmt sie dich mit. Tu‘s.
Kl: - schlägt weiter – Ich will dich nicht schlagen aber ich muß.
Th: Ja, drück‘s aus. Drück den Schmerz aus, der da drin sitzt.
Zeige ihn ihr. Halte ihn nicht länger fest.
Kl: - schlägt weiter – Ich muß dich schlagen, ich will nicht,
aber ich muß. Ich will sie nicht totschlagen.
Th: Sag‘s ihr. Sag‘s ihr.
Kl: Ich will dich nicht totschlagen. Das ist ja wie wenn ich dich noch mal in
den Tod schicke. Das will ich doch nicht.
Th: Du wirst es tun müssen. Und zwar den Teil deiner Mutter, der dich mitnehmen
will. Den wirst du töten müssen in dir, sonst tut sie das immer wieder.
Kl: Ja, stimmt. Sie zieht mich…du ziehst mich immer noch. Du ziehst mich
immer noch.
Th: Diese Struktur, die mußt du lösen, die muß sterben, damit
deine Mutter eine Chance hat in dir und du auch.
Kl: Ja, gut. – hustet und beginnt wieder zu schlagen – Nimm deine
Hand weg von mir! Laß mich los! – schlägt kräftig und
schreit laut unter der Anfeuerung der Therapeutin – Nimm deine Hand weg,
die ist immer noch da. – schlägt weiter, atmet dann erschöpft
durch –
Th: Was ist mit ihr jetzt?
Kl: Hm, also sie hat schon mal die Hand weggenommen und dann ist sie ein bißchen
weiter von mir weggerückt und….
Th: Ja?
Kl: Und äh, deswegen mit dem Kopfkissen, das ist irgendwie, sie merkt,
ich will nicht sterben. Das merkt sie in diesem Moment. Ja, das siehst du richtig,
ich will nicht sterben. Ich will hier bleiben.
Th: Mach‘s noch mal ganz klar, komm. Mach‘s noch mal richtig klar.
– spielt wieder Musik ein -
Kl: Ja. Hast du das verstanden, daß ich hier leben will?
Th: Mach‘s ganz klar, deine Position.
Kl: - schlägt wieder - …daß ich keine Luft hab‘, keine
Luft. Luft. – schlägt und schreit unter Anfeuerung der Therapeutin
–
Th: Befreie dich! Befreie dich, komm! Befreie dich jetzt!
Kl: - macht eine Zeit lang so weiter – Muß ich sie denn totschlagen?
Th: Das weiß ich nicht. Du mußt auf jeden Fall so lange weitermachen,
bis es dir richtig gut geht und du klar weißt, daß deine Mutter
nie wieder dich in den Tod nehmen will.
Kl: Ja. Ich muß mal gucken, was sie macht. – Pause – Ich sehe
die…die wechseln, die Bilder, die wechseln jetzt immer. Ich sehe jetzt,
ich sehe dich da einmal neben mir sitzen, da auf diesem Bett, und dann sehe
ich dich wieder tot da liegen. Ich habe dich ja nie tot gesehen, aber wie ich
es mir vorstelle, zerschmettert..zerschmetterter Körper. Das wechselt jetzt
dauernd hin und her. Und dann, jetzt habe ich das Gefühl, wie wenn ich
dich umbringen würde.
Th: Ja, aber diese Verzweiflung steckt noch drin, die muß raus. In dir
mußt du sie umbringen, als die Frau, die dich in den Tod mitnehmen will.
Und diese Verzweiflung, die erlaubst du dir noch nicht. Also mußt du‘s
tun. Damit diese Verzweiflung raus kann. Weil, letztendlich weißt du‘s.
Ne, du weißt, daß du‘s tun mußt.
Kl: Ja, mhm. – atmet schwer und spricht sehr leise – Es kommt mir
vor, als wenn ich dich die Brücke runterstürze.
Th: Dann tu‘s.
Kl: Oh nee. Oh Gott, oh Gott. Ach du lieber Himmel.
Th: Ja, laß diese Verzweiflung raus, laß sie da sein. – fordert
die Klientin zum Atmen auf -
Kl: - atmet schwer – Oh Gott, oh Gott. Ich war jetzt gerade selber in
dem Auto auf so einer Autobahnbrücke, über die…sie auch runtergesprungen
ist. Ja, es war jahrelang so. Ich konnte nicht mal, konnte kaum noch über
Brücken fahren. Ich hatte das Gefühl, das Auto kriegt jetzt ein Eigenleben
und fährt einfach runter. Ich muß furchtbar mich anstrengen, auf
der Straße zu bleiben. Guck nur total angestrengt auf diese Mittellinie,
damit ich das Auto irgendwie in der Gewalt halte. Und da fahre ich jetzt lang.
Th: Guck mal, was sie gemacht hat.
Kl: Ja. Und jetzt, da steht sie jetzt auch mit ihrem Wagen am Brückengelände.
Au nei…oh Gott, oh Gott.
Th: Ja, guck, was von selbst passiert.
Kl: Ja. – atmet tief – Ich denke, ich will das nicht alles mehr
mitmachen. Ich will endlich…
Th: Sag‘s ihr! Sag‘s ihr!
Kl: Ich will endlich ganz im Leben sein. – atmet mehrmals tief durch –
Th: Sag‘ ihr, was du denkst.
Kl: Ich halt‘ jetzt hinter ihr an, und sie steht da. Und jetzt geh‘
ich zu ihr. Und da war ich schon mal in einer anderen Session, hab‘ sie
dauernd zurückgehalten und jetzt sag‘ ich zu ihr, jetzt halte ich
dich nicht mehr zurück.
Th: Ja, ja. Bist du bereit, sie loszulassen?
Kl: Oh Mann, oh Mann.
Th: - jetzt lauter, auffordernd – Bist du bereit, sie loszulassen? Sie
springt, wenn sie springen will.
Kl: Ich will‘s versuchen. Ich will‘s….- soll sie direkt ansprechen
– Ich will dich loslassen, wenn du, wenn du meinst, wenn du jetzt diesen
Schritt wirklich machen willst. Guck mir in die Augen. – stöhnt –
Jetzt hab‘ ich sie so an den Handgelen-ken. Wenn, wenn du jetzt…wirklich
springen willst. Und wenn du mir das ganz deutlich machen kannst, dann laß
ich dich los. Aber laß mich hier, ich will hier bleiben. Ich will aufhören,
dich zu retten. Ich will dich nicht mehr retten. Hab‘ keine….will
meine Energie für mich haben. Ooh, ich will meine Energien für mich
haben. Ich will nicht mehr so viel an dich denken, wie ich dir helfen kann.
Ich will dich jetzt loslassen.
Th: Dann tu‘s einfach. Hör‘ auf, sie zu retten. Hör auf,
ihr Leben zu leben und für sie verantwortlich zu sein.
Kl: Ja. Ja, genau.
Th: Du kannst es nicht als Kind. Keiner kann für den anderen verantwortlich
sein. Nur eine Mutter für ihr Kind. Nicht anders herum.
Kl: Ich sag‘ jetzt zu ihr, ich hab‘ ganz schön viel Scheiße
erlebt in meinem Leben. Das ist ein bißchen viel gewesen. Aber trotzdem
gab es auch so viel Schö-nes schon und… und ich will noch weiterleben.
Und das ist schön, daß du mir das Leben gegeben hast. Und wenn ich
ganz ehrlich zu mir bin, möchte ich es, glaube ich, nicht tauschen. Auch
wenn ich manchmal neidisch bin auf Men-schen die so leicht sind, so froh. Irgend-wie
will ich trotzdem nicht tauschen. Das ist mein Leben. Das hast du mir gegeben,
und ich will jetzt hier bleiben. Und wenn du, wenn du jetzt diesen Schritt machen
willst, dann tu ihn. Ich versuche, ihre Augen zu sehen. Ich versuche jetzt,
deine Augen zu sehen. Schau mich doch mal an, bitte. Jetzt fällt mir noch
was anderes ein. In ihrer Handtasche liegt ein Brief, den ich ihr mal geschrieben
habe, ein paar Monate vorher. Wo ich versucht habe, ihr Mut zu machen und so,
weil sie depressiv war. Und, äh, jetzt sagt sie, äh, ich will daß
du den Br…äh, wenn du gehst, daß du den Brief nicht hier läßt.
Es ist dein Brief, und laß den nicht mir zurück. Ich habe ihn dir
geschrieben, der ist für dich. Und laß mir den nicht hier zurück,
ja, wie so ein….du konntest mir nicht helfen. – atmet tief –
Und sie sagt jetzt, ja, ich will springen, und ich nehme den Brief mit. Sage
ich, gut ich hol den. Und jetzt gehe ich an ihr Auto und hole den Brief aus
ihrer Handtasche, geb‘ ihn ihr. Und sie zerreißt jetzt den Brief
in tausend kleine Schnipsel, die fliegen weg. Und sie sagt, es ist schön,
daß du mir helfen wolltest. Und das hat auch nichts mit dir zu tun, daß
ich jetzt diesen Schritt machen will. Das ist mein Entschluß. Ich scheue
mich vor dem Augenblick. – atmet tief durch – Oh Gott, oh Gott.
So genau habe ich da noch nie hingesehen, nur von weitem.
Th: Ja, es wird Zeit.
Kl: Tausend mal, tausend mal habe ich‘s gesehen, aber nur von weitem.
Ja, und meinst du nicht, wenn das jetzt so nah ist, daß das dann wieder
ein neues Bild in mir wird?
Th: Du mußt sie loslassen.
Kl: Mhm. Ich sag‘ jetzt zu ihr, das war nicht richtig von dir, daß
du mich mitnehmen wolltest. Damit hast du mir ganz viel angetan, das war hart,
das war nicht richtig, das hättest du nicht tun dürfen. Das darf…das
darfst du nicht. So was darfst du einfach nicht. Sagt sie, ja, ich weiß.
Ich bin sehr schwach gewesen, und das tut mir leid, daß ich das getan
habe. - deutlich lauter als bisher – Sie entschuldigt sich jetzt, weil
das so sein muß in so einer Sitzung. Sag ich, ich weiß nicht, ob
ich dir glauben kann.
Th: Ja, sag‘s ihr.
Kl: Genau, ich sag‘ das jetzt einfach. Tja, ich weiß nicht so recht,
ob ich dir das jetzt glauben kann und ob dir das wirklich leid tut oder ob du
das jetzt nur so sagst, weil wir hier so eine Sitzung machen. – lacht
– Und du die Spielregeln kennst.
Th: Echt, die kennt sie? Wow!
Kl: - lacht – Ja, sie…sie wird jetzt ein bißchen sauer, sagt,
jetzt laß mich endlich los.
Th: Ja, ja. Du mußt sie loslassen. Sie muß ihren Weg gehen. Und
wenn der Weg sie in den Tod führt, ist das ihr Weg. Jeder muß seine
Eltern loslassen, du auch. Laß sie ihren Weg gehen, sozusagen, gehen.
Kl: Ja. Ja. Mir wird ja schon schwindelig, wenn ich nur daran denke, da von
der Brücke runterzugucken und daß sie da jetzt runterspringt.
Th: Schau mal runter. Schau es dir an. Schau einfach runter. Und sag‘
ihr, was du denkst und fühlst, es ist schon o.k. Drück alles aus.
Kl: Ja, mhm. Mir wird ganz anders, wenn ich hier runter gucke. – Überhaupt
Schwindel, das hängt mit meinem Innen-ohr…da mit der Schwierigkeit
zusammen. So furchtbare Schwindelanfälle, daß ich nur noch auf allen
Vieren gehen kann. Daß ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.
Das ist Morbus Menière, nennt sich das. Das ist so was Ähnliches
wie Hörsturz.
Th: Seit wann hast du das?
Kl: Ooh…das hat drei Jahre später angefangen.
Th: Frag‘ mal dein Ohr, ob das damit in irgendeinem Zusammenhang steht.
Kl: Sagt jetzt, ja.
Th: Ja, dann laß dir den Zusammenhang zeigen.
Kl: Das ist vielleicht dieser Blick von da oben.
Th: Ja, dann mach ihn jetzt.
Kl: Diese schwindelnde Höhe.
Th: Mach‘s!
Kl: Ich?
Th: Nein, gucken.
Kl: Ach, gucken. – beide lachen – Ich so jetzt, soll ich auch noch
da runter springen. Runtergucken.
Th: Hinschauen. Und wenn‘s dich runter zieht, kannst du auch springen.
Weil, du liegst ja jetzt auf der Matte. Es ist immer noch eine neue Erfahrung,
die du machst. Ich weiß nicht, wohin‘s dich zieht, guck mal.
Kl: Ja, mhm. Ja, vielleicht muß ich da irgendwie selber mal runterspringen.
– atmet tief – Sag ich jetzt zu meiner Mutter, irgendwie habe ich
das Gefühl, ich müßte da auch mal runterspringen. Aber dann,
jetzt denk‘ ich wieder, dann mach ich ja das selbe wie du. Das ist ja
wieder das selbe.
Th: Vielleicht mußt du‘s auch mal tun, daß du‘s auch
mal getan hast. Damit du‘s loslassen kannst.
Kl: Ja. Ja, ich habe tatsächlich das Gefühl, ich müßte
da runterspringen. Dann kann ich meine Mutter vielleicht auch springen lassen.
Th: Hm, das kann sein.
Kl: Irgendwas war ja in mir, das mich da so runter gezogen hat, da zum Beispiel
im Auto. Das ist irgendwie so eine Kraft in mir, die mich da runter zieht. Vielleicht
sollte ich da mal nachgeben. – atmet tief –
Th: Ja, wenn du jetzt die Erfahrung machst, brauchst du‘s in der Realität
nicht tun.
Kl: Ja. Ich kletter‘ jetzt auf dieses, dieses Geländer da. So und
jetzt springe ich einfach, glaube ich. Ich springe, ich springe jetzt. –
Pause – Es ist gar nichts Besonderes passiert. Ich bin jetzt, glaube ich,
unten angelangt. Ich sehe überhaupt nichts mehr, es ist nur wieder dieses
Helle. Es ist alles ganz hell einfach nur. Irgendwie wird vorher alles so ein
bißchen um mich rumgewirbelt, so Luftzug und so, und ab und zu habe ich
mal irgendwas von der Natur gesehen und dann war‘s nur noch so weiß.
- Pause – War ein tolles Gefühl. Ich will einfach nur mal, erst mal
einen Moment da weiter liegen und mir dieses Weiße angucken. Das breitet
sich so aus irgendwie in mir. Ich glaube, jetzt ist gut.
Th: Was nimmst du denn wahr? Wo bist du jetzt?
Kl: Ich bin immer noch da und ja, jetzt kommt ein Hubschrauber. Der will zu
meiner Mutter, aber die steht ja noch oben. Deswegen habe ich jetzt gesagt,
jetzt muß ich mal wieder da hoch.
Th: Laß einfach mal geschehen, was jetzt geschieht.
Kl: Ach so. Sehe nur so weiter dieses Weiß. Jetzt ist mein Schutzengel
da. Der schwebt jetzt so über mir. Und da hinten hör ich den Hubschrauber,
irgendwie geht mich das im Moment nichts mehr an. Ich sehe nur das Weiße
und meinen Schutzengel. - Wo ist denn meine Mutter? Er sagt, die ist auch schon
gesprungen und der Hubschrauber holt sie jetzt, und ich hol dich jetzt.
Th: Verabschiede dich von ihr.
Kl: Mhm. Die liegt da neben mir. Ich sag zu ihr, siehst du auch das Weiße?
Da sagt sie, ja. Ich frage, geht‘s dir gut? – weint –
Th: Ja, laß es da sein.
Kl: Ich sage jetzt zu dem Schutzengel, der soll dafür sorgen, daß
der Hub-schrauber noch mal weg bleibt, damit wir Zeit haben, uns zu verabschieden.
- weint – Und sie sagt, ja, es geht mir gut. – Musik wird eingespielt.
– Ich sage… - weint – Ich umarme sie jetzt. – weint
– Ich sage, ich bin so froh, daß es dir gut geht. – Spricht
weiterhin unter Tränen. – Ich möchte sie jetzt noch ein bißchen
begleiten, weil ich möchte, daß sie alle ganz, daß sie sorgsam
mit ihr umgehen. – Sie soll es ihnen sagen. – Die kommen jetzt und
wollen sie holen. Mein Schutzengel ist bei mir, und der hilft mir, daß
die, daß sie meine Mutter achtsam anfassen und so. Sie ist so kaputt.
– Sie soll es ihr direkt sagen. – Das tut mir so weh, das zu sehen,
wie dein Körper so kaputt ist. Da sagt sie, ist nicht schlimm.
Th: Frag‘ mal, wo ihre Seele ist.
Kl: Ja. Die ist bei ihr. Sie sagt, das ist alles gut. – während das
Weinen schwächer wird – Trotzdem sage ich dem Sanitäter und
dem Arzt, sie sollen sie liebevoll anfassen. – weint – Meine Mutter
sagt, mir geht‘s gut. Du brauchst nicht mitkommen. Du brauchst auch nicht
mit in den Hubschrauber. – weint –
Th: Ja, laß sie gehen, ja.
Kl: Sie sagt, sie behandeln mich gut. Du brauchst keine Angst zu haben.
Th: Ja, erlaube ihr, zu gehen.
Kl: Ja. – weint – Mein Schutzengel, der hat sich hinter mich gestellt,
und der umarmt mich. Und ich sage jetzt zu den Sanitätern, stellt sie nochmal
auf den Boden, da auf der Trage. Ich will sie nochmal umarmen. Das machen die
auch. – atmet ruhiger – Ihre Augen sind auf. Ich schließe
ihr die Augen. Das Gesicht sieht, glaube ich, ganz friedlich aus. Ich weiß
ja, daß ihr Kopf kaputt ist, aber das Gesicht ist heil, und es ist auch
entspannt. Alle haben sich gewundert, wie stark ich bin. Ich habe nie wirklich
weinen können. Oh Mann! Es war wie versteinert. Auua! – weint –
Eine Steinstatue ist zurückgeblieben.
Th: Was heißt zurückgeblieben?
Kl: Ich. Ich war versteinert.
Th: Und jetzt?
Kl: Nicht mehr.
Th: Ja. Was ist aus der Statue geworden?
Kl: Mein ganzer Körper ist ganz warm überall, und ich spür‘
mein Blut, so meinen Puls, und das ist überall, so ein Kribbeln und so.
Ich bin irgendwie weich. Das sind die vielen Frauen, nicht die vielen, die paar
Frauen in mir, die wieder leben. Und ich sag‘ jetzt zu denen, sag jetzt
zu meiner Mutter, du, du hast mir so viel angetan. Ich aber, ich will das aber
nicht sagen, nee.. das ist jetzt in Ordnung was war. Ich liebe dich. Ihre Seele
sagt zu mir, daß sie mich auch liebt. Daß ihre Liebe nichts damit
zu tun hat, daß sie jetzt gegangen ist. Nee, umgekehrt, also, das heißt
nicht, daß sie mich nicht liebt. Sage ich zu der Seele, aber wenn sie
mir und uns allen sowas antun kann. Das kann man doch nicht tun, wenn man liebt.
Wie kann sie denn denken, daß mir das nichts ausmacht. So wie sie damals
auch gedacht hat, der Vati kommt sofort drüber weg. Das ist doch eine Mißachtung
von meiner Liebe. Ich fühle meine Liebe mit Füßen getreten.
Th: Horch mal, was ihre Seele antwortet.
Kl: Ja. Ja, sie sagt, das war einfach nur, das hatte mir dir gar nichts zu tun.
Ich kann dich lieben und trotzdem ist irgendwie da so viel Verzweiflung mit
der ich nicht zurecht kam. Und es hat gar nichts mit dir zu tun. Das war meine
eigene Verzweiflung, die nicht mit Liebe der Kinder oder so aufgelöst werden
kann. Das war was ganz anderes.
Th: Kannst du das annehmen?
Kl: Ja. Ja, ich kann das annehmen. Das alles verstehe ich. Ich gebe ihr jetzt
noch mal einen Kuß. Ich glaube die Seele, irgendwie umarmt die mich auch
noch mal oder so was. Und sie sagt noch mal so was wie neulich, als ich gerade
laufen gelernt habe, sie sagt zu mir, ich bin stolz auf dich. – weint
und atmet dann tief durch – So, ich glaube jetzt ist es so weit. Die Sanitäter
die sind wirklich sehr be-hutsam, wie wenn sie leben würde. Und, äh,
ja ich kann sie jetzt mit einem guten Gefühl gehen lassen, glaube ich.
Die machen jetzt diese Trage da rein. Und die Seele bleibt noch ein bißchen
bei ihr, begleitet sie. Ja, was heißt begleiten, also ist bei ihr. Noch
eine Weile, kann ihr nichts geschehen. Und sie sagt noch mal zu mir, ich kann
ruhig zurückbleiben, es wird ihr nichts geschehen, und es geht ihr gut.
Ohh…- weint – Das ist irgendwie so ein Punkt, der trifft mich immer
sofort, die Angst, es geschieht ihr was. Aber ich, ich glaube ich kann‘s
jetzt glauben, daß ihr nichts passiert.
Th: Laß los. Verabschiede dich.
Kl: Ja. Sie sagt jetzt auch noch mal, laß mich los. Vertraue darauf, daß
mir nichts geschieht. Es geht mir gut, du kannst da bleiben.
Th: Ja. Spüre mal ob es zwischen euch eine Energieverbindung gibt, Energieli-nien
zwischen euren Körpern. Sind da welche?
Kl: Es ist so wei..weiße, wie so Licht-strahlen, so flimmernde Lichtstrahlen.
Und mein Engel hat ja ein Schwert, und der sagt jetzt, der trennt die jetzt.
Der hat so ein Lichtschwert. Ja, das funktioniert. Der hat die durchtrennt,
und der, das eine Teil, das kommt so zu mir zurück und das andere Teil
geht zu meiner Mutter. Und jetzt merke ich auch auf einmal wie der Hubschrauber
weiter weg ist schon. Ja, ja, mhm, es geht mir jetzt auch gut. Mein Engel ist
ja bei mir. Und der Hubschrauber, der, der dreht jetzt ab.
Th: Dann spür‘ mal, was du jetzt gerne machen möchtest.
Kl: Mhm, ja. Fällt mir nichts ein. Habe ich gedacht, ich gehe zu ihrem
Grab aber nee, das kann ich ja später mal in Wirklichkeit machen, habe
ich gerade gedacht. Mich noch mal neu verabschieden irgendwie konkret. Was ich
jetzt gerade machen will, weiß ich nicht. Ich glaube, ich will da weg.
Ich lege da noch mal Blumen hin, wo sie gelegen hat. Und jetzt gehe ich mit
dem Schutzengel weg. Der nimmt mich jetzt so in seine Arme und der fliegt, das
geht schneller. – beide lachen – Wir fliegen zu meinem Vater. Da
sind gerade die Polizisten, um ihm zu sagen, daß seine Frau tot ist, daß
die sich umgebracht hat. Ich bin mit meinem Engel da, und mein Engel stellt
sich jetzt auch so hinter ihn, damit er das tragen kann. – weint –
Th: Schau mal, ob du ihm was sagen möchtest.
Kl: Ich sage zu ihm, ich war bei ihr und sie sagt, es geht ihr gut, und ich
habe das auch gesehen, daß es ihr gut geht. Mein Vater, der ist ganz wie
zerschmettert. Ich sage zu ihm, ich weiß, das ist so schrecklich, das
zu hören, das zu erfahren, aber, und das tut sehr weh. Sie ist ganz friedlich.
Sagt er, ja, mir geht‘s um meinen eigenen Schmerz. Das kann ja sein, daß
es ihr gut geht, aber mir geht es überhaupt nicht gut. Oh je. Sag‘
zu ihm, ja, das stimmt, vielleicht kann dir das erst helfen, wenn du geweint
hast. Er sagt, ja, er weint jetzt ganz viel. Die Polizisten sind weg, er weint
jetzt ganz viel, und ich nehme ihn in den Arm. – schluckt – Ich
habe ja schon geweint, ich brauche jetzt im Moment nicht mehr weinen, er weint
ganz viel. – atmet tief durch-
Th: Wie fühlst du dich?
Kl: Ich fühle mit ihm, aber ich selber bin irgendwie nicht mehr traurig.
Schon so ein bißchen traurig aber nicht erschüttert. Ich bin so zermalmt
innen, so ein Gefühl wie zermalmt. So fühlt sich mein Vater gerade.
Th: Dann schau mal, welchen Impuls du hast.
Kl: Ich möchte gern meine Erfahrung weitergeben, daß es weitergeht.
– soll es tun – Ich weiß, das tut jetzt so weh. Guck mal,
guck mal mich an. Es geht doch, es geht vorbei, und du bist hinterher…wenn
du das nicht in dir vergräbst, sondern wenn du es durchlebst, dann, dann
strahlst du hinterher von innen irgendwie. Das gibt so viel Stärke und
Leuchten auch innen…